Back to the Past: Warum sind nostalgische Games so beliebt?
Als 3D-Games in den Neunzigern den Sprung auf die Heimkonsolen schafften, glaubten viele Beobachter an das baldige Ende der 8- und 16-Bit-Helden. Doch das kam nie. Im Gegenteil: Nostalgisch angehauchte Games erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Warum eigentlich?
Nach zwei Jahrzehnten geht Streets of Rage in die vierte Runde. Und der Hype ist real!
Mega Man, Contra, Street Fighter – diese und viele weitere Namen haben meine Kindheit bestimmt und mich tagelang an die verschiedensten Konsolen gefesselt. Und damit war ich nicht allein: Auf dem Schulhof wurde über die neuesten Games gefachsimpelt wie heute über die neue heiße Netflix-Serie. Nur, dass viele Gamer sich bis heute noch an jedes kleinste Detail aus ihren alten Lieblingsspielen erinnern können, während die meisten Serien – und, wenn wir ganz ehrlich sein wollen – auch viele neue Games spätestens nach dem Abspann auch schon so gut wie vergessen sind.
Fan-Favoriten ohne Ablaufdatum
So mauserte das Remake des Gameboy-Klassikers Zelda: Link's Awakening sich innerhalb weniger Monate zu einem der meistverkauften Spiele für die Nintendo Switch. Streets of Rage IV wird mit mehr Spannung erwartet als irgendein Prügelspiel der letzten Jahren. Ja, selbst Fortsetzungen und Neuauflagen, die nicht offiziell angekündigt sind, werden diskutiert, als stünden sie schon vor der Tür: Nachdem die Monster-Boy-Entwickler enthüllten, dass sie Disney vor einiger Zeit eine Fortsetzung der beliebten DuckTales-Reihe vorgeschlagen hatte, wurden online postwendend die Rufe nach dem Spiel laut.
Ganz neu ist dieser Hang zur Nostalgie nicht. Die Kino- und Serienlandschaft zelebriert die Helden unserer Kindheit schon eine ganze Weile. Der Trend begann im Dunstkreis von Michael Bays Transformers-Filmen, erstreckt sich über Quentin Tarantinos Once Upon A Time… in Hollywood und ist mit dem hundertsten Stranger-Things-Klon ganz sicher noch nicht beendet. Nach den Sechziger- und Achtzigerjahren erleben aktuell die Neunziger ihren Revival – und der steht noch ganz am Anfang. Offen bleibt die Frage, warum das alles so gut funktioniert. Warum will ein Publikum immer wieder die selben Geschichten in leicht veränderter Form sehen? Warum rasten Gamer in Zeiten von fotorealistischer Grafik und endlosen Open Worlds schier aus, wenn ein 20 Jahre altes SNES-Game eine Fortsetzung oder ein Remaster spendiert kriegt? War früher einfach alles besser?
Retrogames: Vergangenheit ist Zukunft
Sicher nicht. Aber: Heute ist mehr möglich. Viele der Gamer, die mit den Klassikern der 8- und 16-Bit-Ära groß wurden, sind heute selbst Entwickler, Programmierer und Künstler. Verständlich, dass sie nur zu gern den Games Tribut zollen, die ihren Lebensweg so entscheidend mitgeprägt haben. Und die meisten dieser Tribute haben wirklich was auf dem Kasten – oft mehr, als in den Originalen möglich war.
Tatsächlich könnte man sagen, dass das wahre Potential vieler Klassiker sich erst heute richtig ausschöpfen lässt: Stories, die früher vor allem in den Köpfen der Spielenden stattfinden, können jetzt auserzählt werden; Ideen und Mechaniken, die vor Jahren als zu komplex verworfen werden mussten, sind nun umsetzbar; die Grafik von Spielen orientiert sich nicht länger an technischen Einschränkungen, sondern an der Vision ihrer Schöpfer.
Da ist es doch eigentlich nur verständlich, dass Fans alten Favoriten weiterhin die Stange halten. Es ist kein Zeichen einer Rückwärtsgewandtheit, keine Abkehr von den heutigen Möglichkeiten, sondern der Wunsch, die Heldenen der eigenen Kindheit in neuem Glanz zu sehen und sie auch als Erwachsener nochmal ausgiebig feiern zu können. Und die meisten können, neu in Szene gesetzt von ihren eigenen Fans, auch mit den neuen Gesichtern der Branche ziemlich gut mithalten.