„Honig im Kopf“ dominiert derzeit die deutschen Kinocharts und Dieter Hallervorden hat es sogar geschafft, den „Hobbit“ vom Thron zu stoßen. Ist der aktuelle Film von Til Schweiger über einen Alzheimer-Patienten wirklich so gut und was hat es auf sich mit den vermeintlich getürkten positiven Bewertungen im Netz? Wir haben uns den Film einmal näher angeschaut und gehen der Sache auf den Grund.
Im letzten Jahr gewann Dieter Hallervorden völlig zu Recht den deutschen Filmpreis für seine zutiefst berührende Darstellung eines alten Marathonläufers auf dem Abstellgleis in der Tragikomödie „Sein letzten Rennen“ und lieferte ein spektakuläres Comeback auf der Leinwand ab. Viele hatten dem Komiker nur die Rolle der Ulknudel Didi aus den zahlreichen Blödel-Filmen oder Sketch-Paraden zugetraut, doch der vielbeschäftigte Theaterintendant und Kabarettist bewies eindrucksvoll, dass auch ein großer Charakterdarsteller in ihm steckt. Die Rolle des ehemaligen Profi-Läufers Paul Averhoff, der nach einem langen und erfüllten Leben in einem trostlosen Altersheim landet und allen Widerständen zum Trotz noch einmal an einem Marathon teilnehmen möchte, wurde für den gebürtigen Dessauer nicht nur eine späte Genugtuung, sondern auch ein Wendepunkt. Denn unter den vielen Fans von „Sein letztes Rennen“ befindet sich auch der hyperaktive deutsche Filmemacher Til Schweiger und so ist in den Kinos nun eine Kollaboration zu bestaunen, die vor einigen Jahren noch nicht möglich gewesen wäre.

„Honig im Kopf“ erzählt die Geschichte des 70-jährigen Tierarztes Amandus (Hallervorden), der auf der Beerdigung seiner Frau erstmals einen auffällig wirren Eindruck hinterlässt. Sein Sohn Niko (Schweiger) und dessen Frau (Jeanette Hain) machen sich zunächst wenig Sorgen, doch bald wird klar, dass der stets etwas verschmitzt wirkende alte Herr an Alzheimer leidet. Amandus zieht in die mondäne brandenburgische Hipster-auf-dem-Land-Villa seiner Familie ein und entfacht ein krankheitsbedingtes Chaos, das sämtliche Familienmitglieder bis auf Enkelin Tilda (Emma Schweiger) zur Weißglut treibt. Das elfjährige Mädchen liebt ihren Opa abgöttisch und schafft es wie keine Zweite, sich in seine Welt hineinzuversetzen und akzeptiert ihn so, wie er in seinem Zustand nun mal ist. Als es dann doch Zeit wird, Amandus in ein Heim zu bringen, schnappt sich Emma kurzerhand ihren Opa und macht sich mit ihm auf eine abenteuerliche Reise nach Venedig, dem Ort, an dem der alte Mann einst seine große Liebe kennen lernte...
Til Schweiger hat ja so bekanntlich seine Probleme mit Kritikern und macht Kino für die Massen. Woran liegt es dann, dass er auch mit dem sperrigen Thema Alzheimer wieder Millionen Menschen in die Kinos lockt? Sind die meisten Deutschen eingefleischte Schweiger-Fans und rennen in jeden Film des Alleskönners? Ist jetzt ganz Deutschland wieder im Didi-Fieber oder ist „Honig im Kopf“ schlichtweg ein grandioser Film?
Nun ja, Dieter Hallervorden beweist, dass seine Performance in „Sein letztes Rennen“ kein Zufallsprodukt war und ist neben der befreit aufspielenden Schweiger-Tochter Emma die größte Attraktion des Films, der ohne dessen Klasse niemals funktionieren würde. Alle deutschen Filmpreise dieses Jahres dürfen gern ein zweites Mal an den spätberufenen Charakterdarsteller gehen, nicht nur als gut gemeintes Geburtstagsgeschenk zum 80., sondern als hochverdiente Ehrung einer erneut großen Leistung. Til Schweiger macht auch vieles richtig, indem er sich dezent im Hintergrund hält und dem Opa-Enkelin-Gespann die volle Aufmerksamkeit des Zuschauers überlässt. Als Regisseur trägt er aber stellenweise wieder extrem dick auf und spart weder mit Zuckerguss, noch mit Action und Tempo, was natürlich auf Kosten der Glaubwürdigkeit geht. Aber vielleicht braucht ja ein Schweigersches Alzheimer-Drama demolierte Fahrzeuge der Marke Mercedes und ein explodierendes Familienfest, um die besagte schweigende Masse im Kino für das schwierige Thema zu sensibilisieren. Scheint ja zumindest an der Kinokasse bestens aufzugehen.
Was allerdings etwas irritiert, sind die jüngsten Berichte über möglicherweise manipulierte positive Bewertungen von „Honig im Kopf“ im Netz. Der deutsche Rolling Stone schreibt beispielsweise darüber, dass sich eine ungewöhnlich hohe Anzahl an Usern bei diversen Filmportalen, wie dem unserer geschätzten Kollegen von Moviepilot, angemeldet haben soll, nur um diesen einen Film positiv zu bewerten. Natürlich unterstellen wir niemandem etwas Böses, doch eine solche Aktion - sollte sie nun stattgefunden haben oder nicht - führt zumindest dazu, dass „Honig im Kopf“ bei Google und Co. als Top-bewerteter Spitzenfilm gelistet wird und dadurch mehr Zuschauer interessieren könnte. Ob diese dann aber tatsächlich nur deshalb in ihre Brieftasche greifen und diese an den Kinokassen unseres Landes ausleeren, bleibt zu bezweifeln.
Viel spannender ist die Frage, ob „Honig im Kopf“ eine solche Art der PR überhaupt nötig hat und die Antwort ist: Nein! Der Film erfüllt seinen Zweck und weiß Dank seines Hauptdarstellers wirklich zu berühren. Natürlich ist „Honig im Kopf“ eine Art Krawall-Version von „Sein letztes Rennen“ und kann letztgenanntem rein filmisch auch nicht das Wasser reichen. Kilian Riedhoffs sanfter Film vermochte gerade in seiner Schlichtheit zu bewegen und seine Geschichte könnte auch im wahren Leben als Kuriosität in den Nachrichten auftauchen, während Schweigers Mainstream-Streifen ein reines filmisches Märchen ist. Dennoch verfügt „Honig im Kopf“ über genügend sensible Momente, die der Ernsthaftigkeit seines Themas gerecht werden und geht als massentaugliche Auseinandersetzung mit einem wichtigen Thema mehr als in Ordnung.
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