Mit „A House of Dynamite“ präsentiert Netflix einen politischen Thriller, der unter die Haut geht. Regisseurin Kathryn Bigelow zeigt, wie binnen weniger Minuten das Schicksal einer ganzen Nation auf der Kippe stehen kann. Der Film endet offen und sorgt damit für Diskussionen.
„A House of Dynamite“ auf Netflix
Worum es in „A House of Dynamite“ geht
Der Film erzählt in drei Akten dieselben 18 Minuten, in denen ein interkontinentaler Flugkörper auf die USA zufliegt. Jeder Abschnitt zeigt die Ereignisse aus einer anderen Perspektive:
- der Situation Room im Weißen Haus,
- das US Strategic Command,
- und schließlich der Präsident selbst.
Ein unbekannter Akteur hat eine Atomrakete gestartet. Ob sie aus Russland, von Terroristen oder durch menschliches Versagen stammt, bleibt ungeklärt. Bigelow und Drehbuchautor Noah Oppenheim wollten den „Feind“ bewusst undefiniert lassen. Der eigentliche Gegner ist das System selbst – die politische und technische Maschinerie, die innerhalb weniger Minuten über das Überleben der Menschheit entscheidet.
Was im Finale passiert (Spoilerwarnung)
Während im Lagezentrum hektisch reagiert wird, scheitern zwei Abfangraketen. Die militärische Führung erkennt, dass der Angriff auf Chicago wahrscheinlich nicht mehr zu stoppen ist. Gleichzeitig verliert der Verteidigungsminister die Kontrolle, als klar wird, dass seine Tochter in der Stadt lebt, und beendet sein Leben.
In der letzten Sequenz begleitet die Kamera den US-Präsidenten, der während einer öffentlichen Veranstaltung evakuiert wird. In Marine One liegt die Entscheidung über einen möglichen Gegenschlag bei ihm allein. Der Film endet, bevor klar wird, ob er den Befehl tatsächlich gibt.
Die Bedeutung des offenen Endes
Das Ende bleibt bewusst unentschieden. Weder Explosion noch Rettung werden gezeigt. Bigelow und Oppenheim wollten kein klassisches Katastrophenfinale, sondern ein Nachdenken über Macht, Verantwortung und menschliche Fehlbarkeit anstoßen. Im Gespräch mit Netflix Tudum begründet Bigelow ihre Entscheidung:
Dies ist ein globales Problem, und natürlich hoffe ich entgegen jeder Hoffnung, dass wir die nuklearen Vorräte vielleicht eines Tages reduzieren werden. Aber inzwischen leben wir wirklich in einem Haus aus Dynamit. Ich fand es so wichtig, diese Informationen an die Öffentlichkeit zu bringen, damit wir ein Gespräch beginnen konnten. Das ist die Explosion, die uns interessiert – das Gespräch, das die Leute danach über den Film führen.
Der Film konfrontiert euch mit der Frage, was es bedeutet, in einer Welt zu leben, in der wenige Menschen in kürzester Zeit über Millionen Leben entscheiden. Das weiße Licht am Ende symbolisiert nicht nur Zerstörung, sondern auch den Verlust von Kontrolle – der Moment, in dem Politik, Technik und Moral an ihre Grenzen stoßen.
Für Bigelow ist das Finale kein Cliffhanger, sondern ein Spiegel. Es soll zwingen, die Verantwortung und Absurdität der nuklearen Abschreckung zu hinterfragen. Ein Ende, welches die Handlung bewusst abschließt – ob nun in Zerstörung oder der Rettung – würde die Zuschauer einfach zurück in den Alltag entlassen, ohne sie zum Nachdenken zu zwingen.
Das offene Finale kann also Meinungen spalten. Es kann als mutig empfunden werden, weil es die gewohnte Dramaturgie eines Katastrophenfilms aufbricht. Andererseits lässt sich der Film kritisieren, da er keine klare Antwort liefert und damit ein Gefühl der Unvollständigkeit hinterlässt.
Kritik des Pentagons
Der Film hat nicht nur bei den Zuschauern, sondern auch in Washington Reaktionen ausgelöst. Laut einem internen Memo der US-Raketenabwehrbehörde Missile Defense Agency (MDA), über das unter anderem Bloomberg und der Spiegel berichten, hält das Pentagon die im Film gezeigte Eskalation für unrealistisch.
In dem Schreiben an die eigenen Mitarbeiter heißt es demnach, die Wahrscheinlichkeit, eine feindliche Atomrakete erfolgreich abzufangen, liege bei 100 Prozent. Das System habe diese Zuverlässigkeit über mehr als ein Jahrzehnt in Tests bewiesen. Bigelows Film hingegen zeigt ein Szenario, in dem gleich zwei Abfangraketen versagen und die USA einem Angriff schutzlos ausgeliefert sind. Bigelow und Oppenheim betonten daraufhin in einem Interview mit The Hollywood Reporter, dass sie jede Debatte rund um den Film und die Thematik willkommen heißen.


