Anzeige
Anzeige
Für Links auf dieser Seite erhält GIGA ggf. eine Provision vom Händler, z.B. für mit oder blauer Unterstreichung gekennzeichnete. Mehr Infos.
  1. GIGA
  2. Entertainment
  3. Gaming
  4. Der Voice-Chat – Spieler erzählen von ihrer Hass-Liebe

Der Voice-Chat – Spieler erzählen von ihrer Hass-Liebe

Eine neue Studie besagt, dass knapp 75 Prozent aller Spieler in Online-Games bereits belästigt wurden. Wir haben mit Spielern über ihre Erfahrungen gesprochen – und mit einem Soziologen, der auch Chancen im Voice-Chats sieht.

 
Videospielkultur
Facts 

Wie eigentlich über alle sozialen Kanäle im Netz entstehen auch über den Voice-Chat in Spielen und auf Konsolen tagtäglich abertausende neue Bekanntschaften. Daraus können sich mit viel Glück Freundschaften entwickeln, die über Jahre halten – oder mit Pech negative Interaktionen ergeben, die dir noch Jahre später nicht mehr aus dem Kopf gehen. Davon sind eindeutig beide Geschlechter betroffen, gerade jüngere Spieler oder auch Neueinsteiger werden verarscht, getrollt oder heftig beleidigt.

Anzeige

Die ADL (Anti-Defamation League) veröffentlichte Ende Juli 2019 eine neue Studie, in der untersucht wurde, wie viele Spieler in Online-Games bereits belästigt wurde. Die Befunde sind erschreckend: Ganze 74 Prozent der Befragten berichten von entsprechenden Vorfällen. Während Spielen wie World of Warcraft und Minecraft eine freundliche und integrative Community nachgesagt wird, sollen vor allem Shooter wie CS:GO, Overwatch und PUBG, aber auch Dota 2 und League of Legend über besonders toxische Mitspieler verfügen. Gründe für die Belästigung sind laut der ADL-Studie nicht nur weniger Erfahrung im Spiel gewesen, sondern auch die Herkunft, Religion, sexuelle Orientierung und das Geschlecht des betroffenen Spielers.

Da Spiele lange Zeit (fälschlicherweise) als Männerdomäne galt, werden vor allem weibliche Spieler immer noch mit Vorurteilen konfrontiert, die im Spiel eigentlich gar nichts zu suchen haben. In der Studie von ADL berichten 38 Prozent von Belästigungen und Diskriminierungen, die ihnen männliche Spieler aufgrund ihres Geschlechts an den Kopf warfen. Bei 23 Prozent der Studienteilnehmer führte das toxische Verhalten im Spiel letzten Endes sogar dazu, dass sich die Betroffenen immer weiter zurückzogen.

Du hast keine Lust mehr auf deine Chat-Teilnehmer? Dann mute das Geblubber der anderen und höre dir lieber an, was diese tollen Bots zu sagen haben:

Das negative Image des Voice Chats geht aber auch nicht an den anderen Spielerinnen vorbei. Von denen, die bislang noch nicht von männlichen Spielern belästigt wurden, wagen sich laut einer Bryter-Studie aus dem Jahr 2018 ganze 72 Prozent nicht oder nicht mehr in den Voice Chat, weil sie Angst vor Diskriminierung haben oder die Community als zu männlich dominiert wahrnehmen. Allerdings bezieht sich diese Studie lediglich auf den britischen Raum.

Anzeige

 

Anzeige

Wir haben uns deshalb unter deutschen Spielern und Spielerinnen umgehört: Welche Erfahrungen haben sie mit dem Voice Chat gemacht? Sind aus einigen Partien sogar Freundschaften entstanden? Oder haben sie bislang solch negative Erfahrungen gesammelt, dass sie den Voice Chat eher meiden? Und was kann getan werden, dass sich wieder mehr Menschen in zufällig gematchten Partien im Voice Chat wohler fühlen?

Franziska*, 26 Jahre alt

„Der Voice-Chat ist für mich gerade in Spielen wie Fortnite ziemlich grundlegend, weil es hilft, wenn man den anderen mitteilen kann, wo ein Gegner ist oder wo eine Waffe liegt. Allerdings reagieren Spieler selten normal, sondern oft überrascht, weil ich mich eben weiblich anhöre. Meistens sind die Reaktionen darauf sexueller Natur.

Die schlimmste Erfahrung war mit einem Spieler, der Anfangs ganz nett war und dann aus dem Nichts meinte 'Ich werde das Spiel so hart gewinnen, dass du so feucht wirst.‘ Das war so krass widerwärtig! Häufig ist auch, dass sie denken, ich wüsste nicht, was ich da mache und mir dann ganz viele Waffen und Tränke schenken. Es nervt mich, dass wir nie einfach spielen, sondern mein Geschlecht immer thematisiert wird.

Anzeige

Meine persönliche Lösung dafür war, dass ich im Fortnite-Reddit gepostet habe, dass ich gerne weibliche Mitspielerinnen hätte und ob mich nicht jemand adden kann. Das hat tatsächlich geklappt, ich habe einige Frauen gefunden, die sogar ähnliche Erfahrungen wie ich gemacht haben. Mit ihnen habe ich ein Team, in dem der Umgang tatsächlich viel freundlicher ist. Dass der Unterschied dahingehend so groß ist, hätte ich selber gar nicht gedacht. Das ist sehr angenehm, dass ich dort als ganz normaler Spieler wahrgenommen werde.“

*Name von der Redaktion geändert

Chiara, 23 Jahre alt

„Natürlich wurde ich im Voice-Chat auch schon persönlich angegangen. Viel schlimmer finde ich es aber, dass rassistische und diskriminierende Beleidigungen fast schon an der Tagesordnung sind. Auch, wenn sie mich damit nicht verletzen wollen, sondern solche Ausdrücke eher für Gegner benutzen, trifft mich das schon. Denn auch wenn ich mich von meiner Aussprache deutsch anhöre, habe ich ausländische Wurzeln.

Ich finde aber, das sollte man nicht schweigend hinnehmen. Ich bin ein sehr direkter Mensch und mache das dann auch sofort deutlich, was ich von dem Verhalten denke. Meistens hören die Mitspieler dann damit auf – allerdings nicht für immer, in darauffolgenden Matches begegnet mir das Verhalten immer und immer wieder.“

Anzeige

David, 29 Jahre alt

„Wenn meine Mutter so einen Chat-Log lesen würde, würde sie wahrscheinlich die Polizei rufen. Das liegt aber auch daran, dass viele Leute, die Hardcore in Online-Games unterwegs sind, fast schon einer Subkultur des Internets angehören. In dieser wird viel gesagt, geschrieben und mit Memes ausgedrückt, das absichtlich krass provozieren will. Du hast eben auch nur wenig Zeit, wenn du im Match mit jemandem im Streit liegst und versuchst dann natürlich das Krasseste schon gleich zu Beginn auszupacken.

In der Regel denke ich mir dann, 'okay, der wird jetzt halt ausfallend‘ und mute ihn, gerade wenn er so viel redet, dass ich das Spiel nicht mehr hören kann. Oder ich lasse es an mir abprallen, denn ich weiß ja, dass er das nicht ernst meint, sondern nur das Krasseste sagen will, was ihm gerade einfällt und er außerdem gar nicht persönlich werden kann, weil er mich ja gar nicht kennt.“

Yvonne, 31 Jahre alt

„Oftmals versuchen Spieler ihre Grenzen auszutesten, wie lange es also braucht, bis ich sage 'Stopp, jetzt tritt mal wieder runter vom Gas‘. Ich bin eigentlich ein sehr schlagfertiger Mensch und kann ganz gut damit umgehen. Ich hatte aber auch schon mal den Fall, dass ich mir durch den Voice-Chat einen Stalker eingehandelt habe. Der Typ war schon von Anfang an komisch, aber er tat mir halt leid, weil er niemanden zum Spielen hatte. Ich habe ihm also angeboten, dass wir öfter zusammen zocken. Das ging dann letzten Endes so weit, dass er mich auf allen Plattformen gestalkt hat, auch über Twitter und letzten Endes sogar Facebook. Das war schon ganz schön extrem.

Natürlich spiele ich trotzdem noch mit zufälligen Mitspielern, ich lasse mir das auch von solchen Idioten nicht nehmen, das sehe ich nicht ein. Wird es mir inzwischen zu extrem, dann schalte ich bestimmte Leute auf Stumm. Außerdem kann man in Overwatch Mitspieler auf eine Liste setzen, um sie zu blocken. Allerdings ist das pro Woche auf zwei Personen beschränkt. Von mir aus könnten das gerne mehr Plätze sein, weil dort genau die Leute hinkommen, die im Voice-Chat gegenüber anderen Mitspielern sehr böse und erniedrigend sind – und wenn man so viel spielt wie ich, begegnen einem da deutlich mehr als nur zwei.“

Patrick, 29 Jahre alt

„Wenn die Leute nicht anonym wären, dann würden sie gar nicht so heftig beleidigen und belästigen. Das kommt schließlich auf der Straße auch kaum dermaßen direkt und häufig vor. Je mehr da tatsächlich der eigene Name hinter steht, umso mehr denken Spieler darüber nach, was sie tun. Ich bin zwar prinzipiell für Anonymität im Internet, aber nur bis zu einem gewissen Grad.

Ich persönlich habe kein Problem damit, innerhalb eines Spiels auf meine Anonymität zu verzichten – dementsprechend benehme ich mich. Schließlich geht es um den Spaß und nicht darum, Leute runter zu machen. Das muss dann nicht heißen, dass die jeweilige Identität vom Spielbetreiber auch außerhalb des Spieluniversums getragen werden darf. Ein teilweiser Verzicht auf Anonymität innerhalb eines Spiels würde zumindest die Hemmschwelle für Beleidigungen und Belästigungen erhöhen. Im echten Leben hätten wir schließlich ebenfalls keine Lust darauf, dass maskierte Menschen durch die Gegend laufen und uns die ganze Zeit blöd anlabern. Das hat selbstverständlich seine Gründe – und genau die gelten gleichermaßen für das Internet.“

Wetten, dass Du nicht alle dieser 10 Gaming-Begriffe kennst?

Moritz, 27 Jahre alt

„Multiplayer-Games spiele ich eigentlich nie alleine, sondern immer mit Freunden. Für mich war auch nie die Motivation, nur über das Spiel Spaß zu haben, sondern eben mit Freunden. Inzwischen wohnen wir alle weit auseinander, halten durch Online-Spiele aber weiterhin Kontakt. Das wurde zu einem entspannten Zusammensitzen, Quatschen und Zocken.

Natürlich habe ich auch Kontakte durch die Gilden in WoW geknüpft. Auf einer LAN-Party haben wir zu zweit mal ein drittes Gilden-Mitglied im Chat gehabt, den wir persönlich nicht kannten, mit dem wir uns aber schon seit einiger Zeit gut verstanden haben. Und dann haben wir betrunken ausgeheckt, 'pass auf, wir haben gerade Ferien, die LAN-Party ist sowieso übermorgen zu Ende, dann packen wir unseren Kram zusammen, setzen uns in den Zug und kommen dich besuchen‘.

Wir haben den Typen davor noch nie gesehen, wussten nicht, wie der aussieht, sondern hatten nur eine grobe Vorstellung davon, wie alt er ist und waren uns relativ sicher, dass er denselben komischen Humor hatte wie wir. Und daraus ist eine Freundschaft entstanden, die ich nicht mehr missen möchte und die vor allem bis heute gehalten hat.“

Nicht der Voice-Chat ist Schuld an Hass und Belästigung, sondern wir selbst

Prof. Dr. Diego Compagna leitete vor einigen Jahren den Arbeitskreis Digital-Games und Gaming-Forschung an der Universität Duisburg-Essen. Während die Gesellschaft im Allgemeinen sowie zahlreiche Spieler die virtuelle Welt von der sozialen Wirklichkeit trennen, sagt er, dass auch Online-Games und der dazugehörige Voice-Chat reale soziale Räume sind.

„Im Spiel und gerade im Voice-Chat sind solche Aussagen natürlich recht plakativ. Das kann man den Großeltern vorspielen und die finden das ganz furchtbar. Und das geht einem persönlich sicherlich auch nahe. Das Problem ist aber nicht der Voice-Chat. Die dahinterliegende Ursache ist eine Aggressivität, Unzufriedenheit und auch Feigheit. Die wird im Spiel ausgelebt. Der Grund für das Verhalten liegt aber weniger im Voice-Chat oder dem Online-Spiel selbst, sondern in der Gesellschaft.“

Natürlich gibt es aber trotzdem konkrete Handlungsmöglichkeiten, bemerkst du, dass ein Spieler deutlich über die Stränge schlägt, erklärt Diego Compagna. Bist du nicht betroffen, sondern noch neutral, solltest du dem Spieler direkt signalisieren, dass du solch ein Verhalten nicht tolerierst.

Meistens schlagen sich dann auch andere noch neutrale Mitspieler auf deine Seite. Auch wenn das nicht unbedingt zum Umdenken beim beleidigenden Spieler führt, fühlt sich zumindest das Opfer nicht ganz so allein und kann das Spiel weiter genießen. Schließlich sind Spiele letzten Endes vor allem dazu da, Spaß zu haben – und das sollte für alle Beteiligten gelten.

Welche Erfahrungen hast du im Voice-Chat gemacht? Sind sie überwiegend positiv oder eher negativ? Hast du vielleicht auch schon mitbekommen, wie andere Spieler nieder gemacht haben? Was empfiehlst du in solchen Situationen? Schreibe uns deine Meinung in die Kommentare.

Anzeige