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Warum Casual Gamer die wichtigsten Gamer sind

Über Casual Gamer lachen wir Gaming-Nerds gerne, manchmal benutzen wir das Wort gar als Beleidigung. Warum wir damit aufhören sollten und warum Casual Gamer wichtiger sind als Hardcore-Gamer, erfahrt ihr in diesem Text.

 
Videospielkultur
Facts 

Wir Hardcore-Gamer sind leicht zu verärgern. Als der erste Trailer zu Call of Duty: Infinite Warfare erschien, sind wir ausgerastet: Wie konnte Infinity Ward es wagen, das nächste Call of Duty in der Zukunft statt im Ersten oder Zweiten Weltkrieg spielen zu lassen?

Call of Duty: Infinite Warfare - Offizieller Reveal Trailer (Deutsch)

Als No Man’s Sky verschoben wurde, weil es noch nicht fertig war, haben wir die Entwickler bedroht.

Wann immer ich es wage, eure Lieblingsspiele nicht ganz so gut zu finden (oder andere Pokémon zu mögen als ihr) beschimpft ihr mich. Mehr noch: Ihr droht, mich zu verprügeln oder gleich umzubringen. (Natürlich nicht jeder von euch, aber die Lauten). Viel schlimmer aber: Viele von euch nennen mich dann einen Casual Gamer.

Damit wir uns richtig verstehen: Es stört mich nicht, Casual Gamer genannt zu werden. Aber Casual Gamer sind zu wichtig, als dass wir es uns leisten könnten, sie zu beleidigen. Das ist eine Tatsache, die wir immer im Hinterkopf behalten sollten, nicht nur, wenn wir jemanden als Casual Gamer beschimpfen, sondern auch, wenn wir wütend werden, weil irgendein Entwickler uns Fans nicht genau das gibt, was wir wollen: Wir Fans sind irrelevant. Casual Gamer sind, was zählt. Und das ist völlig okay.

Was ist eigentlich ein Casual Gamer?

Lasst uns erstmal darüber reden, was ein Casual Gamer eigentlich ist. Wenn wir das Wort Casual Gamer benutzen, meinen wir in erster Linie: kein Hardcore-Gamer. Wir meinen jemanden, der weniger Zeit mit Spielen verbringt als wir; der nicht unbedingt Leidenschaft für Spiele, eher Zuneigung für sie verspürt; auch jemanden, der nicht unbedingt gut ist in Videospielen.

Wenn wir einen Schritt zurück gehen und das Wort mal nicht als Beleidigung verstehen, ist ein Casual Gamer genau das, was das Wort bedeutet: ein Gelegenheitsspieler oder eine Gelegenheitsspielerin; jemand, der Gaming-News nur liest, wenn sie in der Mainstream-Presse Platz finden, der nicht wach bleibt, um die E3 zu schauen und sich deshalb vielleicht auf eine Handvoll Spiele freut, aber nicht jedes Release-Datum im Kopf hat. Und jemand, der gar keinen Wert darauf legt, gut in Spielen zu sein.

Warum sind Casual Gamer wichtig für die Spiele-Industrie?

Okay, das sind also Casual Gamer. Was macht diese Menschen so wichtig?

Nun, in erster Linie gibt es einfach mehr von ihnen als von uns. Es ist fast unmöglich, das genaue Verhältnis herauszufinden, aber ich kann euch garantieren: Es sind deutlich mehr. Casual Gamer sind die überwältigende, vernichtende Mehrheit.

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Woher weiß ich das? Man muss nur die Gaming-Industrie beobachten und die richtigen Schlüsse ziehen.

Warum war die Wii Nintendos erfolgreichste Konsole? Weil Casual Gamer sie gekauft haben. Weil für Casual Gamer (und sogar Nicht-Gamer) einfach zu verstehen war, was diese Konsole cooler machte als jede andere Spielkonsole.

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Warum sterben Handhelds? Weil Casual Gamern Smartphone-Games völlig ausreichen. Warum wird jedes Call of Duty gekauft und warum wird das bei Infinite Warfare nicht anders sein, egal wie laut wir schreien? Weil ein Casual Gamer das Franchise nicht verfolgt, nicht im Vorfeld die Erwartungshaltung mitmacht, und weil er nicht 200 andere Sci-Fi-Shooter gespielt hat. Ein Casual Gamer sieht den Trailer im Fernsehen oder im Kino und denkt: „Oh, cool, Call of Duty im Weltraum. Mal was anderes.“ Oder er oder sie geht gleich in den Laden und denkt: „Oh, ein neues Call of Duty. Vielleicht kaufe ich mir mal wieder ein Videospiel.“

Das ist nichts Schlimmes und es macht Hardcore-Gamer nicht schlechter, es ist einfach eine Tatsache. Alles, was in den letzten Jahren, seit Gaming im Mainstream angekommen ist™, erfolgreich war, war erfolgreich, weil es über Hardcore-Gamer hinaus Käufer gefunden hat. Schon die erfolgreichste Konsole aller Zeiten, die PS2 , hatte unter anderem so großen Erfolg, weil sie ein DVD-Player war, den auch Casuals haben wollten.

Warum sollten wir Hardcore-Gamer Casuals beachten?

Casual Gamer sind also wichtig, schön und gut. Was sollen wir Hardcore-Gamer bitte davon halten? Warum sollten wir Casual Gamer so wichtig nehmen?

Wir sollten Casual Gamer aus zwei Gründen im Hinterkopf behalten. Erstens, weil wir uns dann vielleicht nicht mehr aufführen wie der Dorf-Assi am Vatertag. Wenn wir verstehen, dass wir einfach nicht besonders wichtig sind, verstehen wir auch, dass große Entwickler Spiele nicht für uns machen. Wir sind sozusagen Gäste im Heim der Casuals und sollten uns auch so benehmen. Wir dürfen diese Spiele kritisieren, aber nicht so tun, als wären die Entwickler uns ein Spiel schuldig, das an unsere Wünsche angepasst ist.

Dadurch verlieren wir exakt nichts: Wenn uns das neue Call of Duty nicht gefällt, können wir einfach eins der geschätzt 6000 Call-of-Duty-Games spielen, die noch in unserem Regal stehen. Wenn wir Modern Warfare Remastered nicht mit Infinite Warfare zusammen kaufen wollen, können wir einfach, hmm, weiß nicht, Modern Warfare spielen? Wenn No Man’s Sky uns zu spät erscheint, spielen wir eines der 6001 anderen Space-Exploration-Games, die gerade auf Steam verfügbar sind. Der wirklichen Zielgruppe des Spiels - die, deren Meinung zählt - ist die Verschiebung egal.

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Für den zweiten Grund verweise ich auf Bob Dylan, der ja bekanntlich viel über Videospiele geschrieben hat. In The Times They Are A-Changin’, einer scharfen Kritik am Videospiel-Fandom, sang er: „You better start swimmin’ or you’ll sink like a stone.“ Mit anderen Worten: Wenn wir nicht akzeptieren, dass Casual Gamer wichtiger sind als wir (und uns entsprechend benehmen), sind wir bald komplett raus. Noch gibt es Erfahrungen, die (auch) auf Hardcore-Gamer zugeschnitten sind. Aber wenn wir nicht akzeptieren, dass Spiele ab einer gewissen Größenordnung, wenn schon nicht nur, dann doch auch Casuals bedienen müssen, schrecken wir Casual Gamer ab. Und damit stellen wir die Entwickler irgendwann vor eine Entscheidung: Bedienen wir Casuals oder Hardcore-Gamer (da beides ja offenbar nicht geht). Ihr könnt sicher selbst überlegen, wie viele vor allem große Entwickler sich für die kleinere Zielgruppe entscheiden.

Um das ganze mal konkreter zu machen: Das nächste Mal, wenn jemand fragt, ob wir mehr weibliche Charaktere brauchen, sollten wir aus vollen Lungen „JA!“ schreien, denn die meisten Casual Gamer sind Frauen (und damit sind auch die meisten Gamer insgesamt Frauen). Das nächste Mal, wenn über einen Easy-Mode in Dark Souls spekuliert wird, sollten wir die Forderung dessen untersützen, denn je größer das Profil von Dark Souls wird, desto mehr Interesse haben Casual Gamer an den Spielen (und glaubt nicht, dass From Software eine Ausnahme ist, wenn es darum geht, die Chance auf eine größere Zielgruppe zu nutzen). Und - und ja, das ist ein Bisschen eigennützig - wenn jemand einen Artikel veröffentlicht, der uns nicht gefällt, dürfen wir ihn/sie nicht beschimpfen oder bedrohen, sondern müssen unsere Kritik wie ein zivilisierter, erwachsener Mensch äußern. Denn sonst forcieren wir das Klischee des Hardcore-Gamers als ein verwöhntes, egozentrisches Kind - und glaubt mir, irgendwann werden Entwickler (die auch langsam vielfältiger werden) kein Interesse mehr haben, Spiele (auch) für verwöhnte, egozentrische Kinder zu entwickeln, vor allem, wenn es im Verhältnis nur so wenige davon gibt. For the times, they are a-changin’.