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YouTuber und Streamer: Wenn das eigene Ich zum Problem wird


Beruf und Privatleben werden in der Regel ja bekanntlich getrennt. Bei Streamern und YouTubern verschwimmt diese Grenze gerne mal und die Betroffenen stehen nicht selten vor einem Dilemma: Schütze ich meine Privatsphäre oder gebe ich mehr von mir preis, um meinen Fans zu gefallen?

 
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Ich erinnere mich noch gut, wie ich mich vor ein paar Jahren mit einem Kumpel in einer Bar verabredet habe. Weil niemand sonst aus unserem Freundeskreis Zeit hatte, haben wir uns kurzerhand dazu entschieden, einfach zu zweit den Abend zu verbringen. Wir haben etwas getrunken, uns gut unterhalten, viel gelacht. Zum Schluss verabschiedeten wir uns mit einer Umarmung und sind in getrennte Richtungen nach Hause gefahren. Ein netter Abend mit einem Freund. Dachte ich. Nur leider haben das unsere Freunde etwas anders gesehen. In den darauffolgenden Tagen wurde ich mehrfach gefragt, ob wir nun zusammen waren und was denn da zwischen uns gelaufen sei. Jemand soll sogar behauptet haben, wir hätten die Nacht zusammen verbracht. Glücklicherweise konnten wir das Missverständnis aufklären und es ist relativ schnell in Vergessenheit geraten.

Der traurige Alltag von Prominenten

Was bei mir die Ausnahme war, passiert Sängern, Schauspielern und anderen Promis gefühlt am laufenden Band: Sei es eine zu innig wirkende Umarmung auf einem Foto oder ein Kompliment auf Twitter, in das zu viel interpretiert wird. In den Augen vieler Fans reicht das schon aus, um jemandem eine romantische Beziehung zu unterstellen. Für Medien aller Art ist es Grund genug, Artikel darüber zu schreiben, die weitaus länger als nur eine Woche umhergeistern.

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In Zeiten von Twitch und YouTube gelten inzwischen auch Streamer und Content Creators als Prominente. Jede Handlung muss wohlüberlegt sein, wenn sie nicht riskieren wollen, versehentlich auf der ersten Seite eines Klatschmagazins zu landen. Um solchen Gerüchten vorzubeugen und seine Beziehung entsprechend zu schützen, hat sich Fortnite-Streamer Ninja bewusst dazu entschieden, nicht mit Frauen zu streamen. Sein Statement sorgte für viel Aufruhr, daher wollten wir von deutschen Streamern und YouTubern erfahren, wie sie zu seiner Einstellung stehen.

Fortnite-Streamer Ninja streamt nicht mit Frauen – Meinungen deutscher YouTuber und Streamer
Fortnite-Streamer Ninja streamt nicht mit Frauen – Meinungen deutscher YouTuber und Streamer

Die Mehrheit zeigt Verständnis für Ninjas Entscheidung. Als Person des öffentlichen Lebens steht ein Streamer im Mittelpunkt und ist anfälliger für Gerüchte. Streamerin Saftiges Gnu spricht selbst aus Erfahrung:

„Gerade weil in diesem Bereich wenig Frauen aktiv sind, wird einem direkt was unterstellt. Bei mir und meinen Aufnahmekollegen war es auch so, dass ich [wenn es nach den Zuschauern geht] gefühlt schon mit jedem zusammen war, mit dem ich aufgenommen habe.“

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Aus solchen und anderen Gründen, entscheiden sich die meisten YouTuber und Streamer dazu, Privates und Berufliches voneinander zu trennen. So wie Lara Loft:

„Es gibt ein Privatleben und das bleibt auch privat. Auch private Probleme [...] das gehört nicht vor die Kamera, weil man will ja auch gute Laune verbreiten, die Leute wollen sich freuen, den Stream zu sehen.“ 

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Gute Laune bekommst du auch bei diesen Spielen, die du zusammen mit deinen Freunden spielen kannst.

Wenn aus einer Umarmung plötzlich „mehr“ wird

Seine Privatsphäre schützen zu wollen, ist das gute Recht eines jeden Streamers und YouTubers. Trotzdem hat es, getrieben durch Fans, schon zu Problemen geführt, wenn nicht entsprechend offen kommuniziert wird – wie im Fall von Streamerin Amouranth. Sie hat lange Zeit verheimlicht, dass sie verheiratet ist und in vereinzelten Streams sogar behauptet, sie wäre Single. Als ihre Fans von ihrem Ehemann erfuhren, fühlten sie sich von der Twitcherin betrogen. Vor allem einen Zuschauer hat es besonders getroffen: Er hat Amouranth jahrelang unterstützt und sich bei einem anstehenden persönlichen Aufeinandertreffen, mehr erhofft, als ihm am Ende zusteht. Auch Saftiges Gnu erlebte eine vergleichbare Situation, in der ein Fan in eine scheinbar harmlose Umarmung mehr hineininterpretiert hat:

„Es war eine ganz normale Umarmung, wie bei jedem anderen, aber eine Person hat sich dadurch mehr erhofft und hat gedacht, wir sind zusammen [...] und hat dann Gerüchte gestreut, die nicht stimmen. Und da habe ich schon [...] hinterfragt, ob ich manchmal zu offen und zu herzlich bin, aber ich finde, an einer Umarmung ist nicht Schlimmes dran.“

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Wenn sich Fans in einen Bildschirm verlieben

Der Ursprung davon liegt in einem Phänomen, das sich parasoziale Beziehung nennt. Die Begrifflichkeit kam erstmals in den 1950er Jahren auf und beschreibt, dass manche Menschen so reagieren, als wären die fiktiven Charaktere im Fernsehen reale Personen. Medienpsychologe Prof. Dr. Clemens Schwender von der SRH Hochschule der populären Künste in Berlin sieht ein solches Verhalten in unserer Evolution und Geschichte begründet:

„Zum einen sind wir es historisch nicht gewohnt, dass wir Menschen sehen, die sich bewegen [aber] nicht präsent sind. Insofern spielen uns Medien eine Gegenwart vor, die aber gar nicht da ist. [Das] ist aber auch nichts Neues; denken Sie mal an [...] die Beziehung zu Gott. Auch so ein Gebet ist sowas wie ein Gespräch mit einer Figur, die wir nicht physisch sehen, die uns aber zuhört [und] uns vielleicht sogar antwortet.

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Als aktuelles Beispiel nennt der Experte den Nachrichtensprecher. Nach der Begrüßung „Guten Abend, meine Damen und Herren“ wird meist eine kleine Pause eingelegt, um dem Zuschauer die Möglichkeit zu geben, entsprechend darauf zu antworten. Hierbei wird jedoch eine Interaktion bzw. Beziehung innerhalb einer einseitigen Kommunikation aufgebaut, denn die Person vor der Kamera hört die Antwort des Zuschauers nicht.

Mit dem Aufkommen von Plattformen wie YouTube hat sich das Phänomen laut Schwender entsprechend ausgeweitet: „Das Besondere an YouTube oder am Internet ist, dass es nicht mehr rein parasozial ist, sondern dass der YouTuber theoretisch auch antworten kann.“ Trotzdem hat dies offenbar den gleichen oder sogar stärkeren Effekt, wie es bei einer klassischen parasozialen Beziehung der Fall ist:

„Denn in dem Moment, in dem uns [der YouTuber] anspricht, spricht er ja in die Kamera, sodass wir das nicht wahrnehmen können. Aber das Gefühl ist so, dass da uns jemand anspricht und das kann [dazu] führen, dass man denkt, man kennt denjenigen“, erklärt der Medienpsychologe.

Das Gefühl wird logischerweise entsprechend verstärkt, je mehr Privates die YouTuber und Streamer von sich im Video preisgeben. Auch wenn ein solches Verhalten laut dem Medienpsychologen grundsätzlich ganz normal ist, rät er dazu, sich ab und zu daran zu erinnern, dass es sich bei einem YouTube-Video um keine Realität handelt und Zuschauer sowie YouTuber von einer Scheibe getrennt sind.

Wer gehört denn so zur deutschsprachigen Gaming-Elite auf YouTube? Wir haben es herausgefunden.

Tatsächlich tritt das Phänomen häufiger bei männlichen Zuschauern auf. Diese sind meist auch weniger gehemmt, ihre Zuneigung zur betroffenen Person öffentlich zur Schau stellen. Schwender begründet dies schlicht mit dem Aspekt der Partnerwahl:

„Männer müssen sich präsentieren, müssen irgendwie zeigen, wie toll und klug und stark sie sind [...] um überhaupt eine Chance zu haben, [von ihrer Angebeteten] gewählt zu werden.“

Im Kontext der Massenkommunikation kann dies laut dem Experten allerdings zu Missverständnissen führen, weil sich die Zuschauer selten aktiv bewusst sind, dass die Person auf dem Bildschirm ihre Worte nicht nur an einen selbst richtet.

Interview mit Prof. Dr. Clemens Schwender zum Verhalten im Internet
Interview mit Prof. Dr. Clemens Schwender zum Verhalten im Internet

Schwer verliebter Fan: Bitte nicht füttern!

Aber wie soll mit solchen Missverständnissen umgegangen werden? Schwender empfiehlt eine Herangehensweise nach dem Motto Don't feed the trolls, zu deutsch: Füttere die Trolle nicht. „Auf keinen Fall etwas tun, was diese Zuwendung auch noch bestätigt. Selbst eine Ablehnung ist eine Form der Zuwendung“, so der Medienpsychologe. Potenzial, solche Missverständnisse aufzuklären, sieht er jedoch auch bei der Community selbst: „Das geschieht mittlerweile auch bei Hate-Speach, das geschieht bei Shitstorms, dass die Community reagiert und einzelne zurechtweist.“

Unabhängig von dem beschriebenen Vorfall erzählt Saftiges Gnu, dass sie tatsächlich selten Liebesbekundungen von Fans bekommt. Den Grund dafür sieht sie zum größten Teil darin, dass sie den „Mythos einer Gnu-Mama“ aufrechterhält:

„Ich habe das Ganze damals angefangen, weil ich anfangs gemerkt habe, ich möchte, dass es in einer andere Richtung geht und sage einfach 'Seht mich einfach als eure virtuelle Mama und ihr seid meine Schäfchen‘ und seitdem läuft es!“

„Es läuft“ können diese Spieler leider nicht von sich behaupten. Ihnen sind nämlich echt verrückte Dinge während eines Streams passiert.

Wie viel „Ich“ ist in Ordnung?

Bereits beim Erstellen der Videos können YouTuber und Streamer einige Dinge beachten, damit es erst gar nicht zu Missverständnissen kommt. Denn emotionale Nähe kann laut Schwender nämlich schon durch die Art der visuellen Präsentation und die Ansprache der Zuschauer suggeriert werden. Der Experte empfiehlt daher möglichst keine Nahaufnahmen des Kopfes im Video zu verwenden und auch Anreden zu vermeiden, die persönliches Interesse vergaukeln. „Aber das ist ein Doppelspiel“, stellt Schwender fest, „Einerseits muss der YouTuber oder die YouTuberin signalisieren, dass sie persönlich Interesse hat an den Menschen, andererseits [muss sie versuchen] die Grenze aufrechtzuhalten.“

Ein ähnliches Dilemma beschreibt YouTuber aSmoogl. Er ist vor einem Jahr Vater geworden und stand vor der Frage, wie viel er von seinem Kind, seiner Familie und dem privaten Alltag an die Öffentlichkeit trägt:

„Ich finde, um eine große Community aufzubauen, die einem selbst auch viel wert ist, gehört es irgendwo dazu, private Informationen durchsickern zu lassen bzw. auch offen darüber zu sprechen. Man muss halt für sich eine Grenze setzen. Und ich denke ich bin langsam an dem Punkt angekommen, wo ich sagen kann: 'Ja, hier und da ein paar Informationen gehen raus – das ist vollkommen in Ordnung, aber einige Dinge gehen halt immer noch nicht.“

Eine Grenze ziehen können – da sind sich der Experte und der YouTuber einig. Schütze ich meine Privatsphäre oder gebe ich mehr von mir Preis um meinen Fans zu gefallen? Diese Entscheidung trifft jeder YouTuber und Streamer letzten Endes ganz für sich selbst.

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