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Pro & Contra: Ist Herz aus Stahl ein gelungener Kriegsfilm?

In unserer neuen Rubrik Pro und Contra vertreten zwei Redakteure von GIGA Film jeweils ihre Meinung zu einem aktuellen oder brisanten Thema aus der Welt des Films und Fernsehens. Den Auftakt machen Marek und Thilo, die sich der Frage widmen, ob Brad Pitts neuer Streifen „Herz aus Stahl“ ein gelungener Kriegsfilm ist oder nicht. Wie es sich für so ein Format gehört, haben beide Herren eine unterschiedliche Meinung und ihr dürft am Ende abstimmen, wer recht hat. Los gehts!

Pro: „Herz aus Stahl“ ist ein gelungener Kriegsfilm, weil... (Marek)

...er konsequent den Krieg als dreckigen Kampf zeigt und sein Augenmerk auf die emotionale Verstümmelung seiner Helden legt.

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„Fury: Herz aus Stahl“ hat keine besonders ausgeklügelte Story und erfindet das Genre des Kriegsfilms auch nicht neu. Dennoch vermag der Film von Regisseur David Ayer als Genrebeitrag in meinen Augen zu überzeugen. Das liegt sicherlich an den Schauspielern, die ihre Rollen glaubhaft ausfüllen, aber auch am konsequenten Verharren der Handlung in der Schlacht. Ohne zu zögern und großes Vorgeplänkel befinden wir uns mitten in der Hölle der letzten Phase des zweiten Weltkriegs und werden durch die straffe Inszenierung förmlich in den Fury, so der Kampfname des Panzers der fünfköpfigen Besatzung der US-amerikanischen 2nd Armored Division unter Leitung von Staff Sergeant Don Collier (Brad Pitt), hineingesogen.

Die episodenhafte Erzählung des Films ist nicht nur ein Alleinstellungsmerkmal, sondern auch eine Stärke, denn sie dient als dramaturgisches Mittel, um zu verdeutlichen, worum es im Krieg geht: Nacktes Überleben. Jeder ist sich selbst und seiner Einheit der nähste und jegliche Anflüge von Empathie für den Feind führen sofort zum eigenen Tod. Wenn es darauf ankommt, spielen Strategien und Pläne keine Rolle, es geht lediglich darum zu töten, bevor man selbst getötet wird. Daraus resultiert zwangsläufig eine Verrohung und emotionale Verwahrlosung der Frontsoldaten und die fängt „Fury: Herz aus Stahl“ als zentrales Leitmotiv glaubhaft ein. Es gibt keine ausufernde Rahmenhandlung für die Panzerbesatzung und so ist die Aneinanderreihung einzelner Schlachten als stilistisches Mittel nicht nur passend, sondern auch angemessen, da es im Krieg keinen Raum für Romantik oder Sentimentalitäten geben kann und „Fury: Herz aus Stahl“ wohltuend auf Kitsch und Pathos verzichtet.

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Herz aus Stahl
© Sony

Auch wenn das Finale aus der verschworenen Einheit ein Himmelfahrtskommando macht und David Ayer von seinem Ziel vielleicht ein wenig abrückt, so hat er es bis dahin eindrucksvoll geschafft, Soldaten als Kampfmaschinen zu zeigen, deren größte Waffe ihre Mitleidslosigkeit ist. Auch gelingen ihm bedrückende Bilder von aufgehangenen Menschen am Straßenrand, die nicht für ihr deutsches Vaterland kämpfen wollten und die kurz vor Kriegsende die bittere Entschlossenheit ihrer fanatischen Machthaber zu spüren bekommen haben.

In der Figur des jungen Soldaten Norman Ellison schafft es „Fury: Herz aus Stahl“ zudem eindrucksvoll, den Verlust jeglicher Form von Menschlichkeit bei allen Beteiligten im Krieg zu verbildlichen. Letztlich entdeckt auch der innerliche Pazifist den natürlichen Überlebensdrang in ihm und greift bald genauso automatisch zur Waffe wie seine Kameraden. Das ist für ihn natürlich zunächst eine Qual, ändert sich dann aber in einen Blutrausch, der wahrscheinlich die einzige Möglichkeit ist, die Brutalität menschlichen Handels in Extremsituationen zu überstehen. 

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Contra: „Herz aus Stahl“ ist kein gelungener Kriegsfilm, weil... (Thilo)

...er im Grunde gar kein Kriegsfilm ist.

In meinen Augen ist „Fury: Herz aus Stahl“ eher ein klassischer Actioner in der Tradition der 80er-Jahre. Die Protagonisten sind Anti-Helden, ihre Handlungen moralisch verwerflich und das Weltbild fatalistisch. All das könnte eigentlich ein großer Spaß sein, würde sich der Film nur etwas weniger ernst nehmen. Brad Pitt gibt hier eine noch verbittertere und zynischere Variante seines Lt.  Aldo Raine aus „Inglourious Basterds“, allerdings ohne jedes Augenzwinkern. Sein Charakter ist ein Wahnsinniger durch und durch, was in zwei ziemlich unangenehm zu betrachtenden Szenen besonders zum Vorschein kommt. Und niemand aus seiner Panzerbesatzung ist viel besser, somit bleibt dem Zuschauer nur noch der Neue im Team, verkörpert von Logan Lerman, als Bezugspunkt und Sympathieträger. In der ersten Hälfte des Films funktioniert das noch sehr gut, denn von Hurra-Patriotismus kann hier absolut keine Rede sein. Der Krieg ist eine erbarmungslose, dreckige Hölle, wo „Politische Korrektheit“ ein Fremdwort und für Heldentum kein Platz ist.

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Leider aber verrät der Film seine Charaktere ab der zweiten Hälfte: So verwandelt sich der idealistische, verunsicherte Lerman von einer Sekunde auf die andere in eine erbarmungslose Kampfmaschine und empfindet plötzlich den gleichen Hass auf die SS, wie seine Kameraden - nur das dies in ihrem Fall durchaus begründet wird. Der Charakter von Brad Pitt wird etwas entschärft: Eine der beiden oben erwähnten Szenen beinhaltet eine angedeutete Vergewaltigung und so bedrückend diese Begegnung auch sein mag, ich hatte einfach das Gefühl, dass David Ayer der Mut verlassen hat. Die Szene endet damit, dass Logan Lerman seine große Liebe findet und wir lernen, dass Brad Pitt zwar ein harter Hund ist, sich aber dennoch ein Stückchen Menschlichkeit bewahrt hat. Diese inkonsequente und skurril anmutende Story-Entwicklung ist allerdings bitter nötig, denn im Anschluss wandelt „Herz aus Stahl“ auf den ausgetretenen Pfaden traditioneller Hollywood-Kriegsfilme. Der Feind wird zu Kanonenfutter, eine kleine Einheit zieht gegen eine Hundertschaft - wem das bekannt vorkommt, kann sich den Rest sicher denken.

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Sowas ist natürlich wenig fesselnd, wenn man sowieso allen Beteiligten den Tod wünscht. David Ayer möchte sein Publikum aber lieber mitfiebern lassen und so schafft er es, dass uns Brad Pitt und sein „Dreckiges (halbes) Dutzend“ schlussendlich doch ans stählerne Herz wächst. Der Regisseur will auf zwei Hochzeiten gleichzeitig tanzen: Nachdem Ayer zunächst einiges an Dekonstruktionsarbeit  leistet, gibt er sich selbst genau den Klischees hin, die er anfänglich zu Umschiffen versuchte und alles endet in einer bunten, lauten Action-Orgie im altbewährten Gut-gegen-Böse-Format.

Bunt übrigens, weil „Herz aus Stahl“ einer der wenigen Filme ist, der die grüne und rote Leuchtspurmunition, die im Zweiten Weltkrieg verwendet wurde, als Stilmittel einsetzt. Ein paar Mal wurde ich dabei unfreiwillig an „Star Wars“ erinnert, denn diese laserartigen Lichteffekte dienten bereits George Lucas als Inspiration für seine Weltraumschlachten, inklusive Farbwahl (Imperium/Nazis: Grün; Rebellen/Alliierte: Rot). Womöglich hat die Effektabteilung von „Herz aus Stahl“ hier ein klein wenig übertrieben, genau wie bei einigen Gewaltspitzen, die teilweise schon comichaft anmuten. Übertrieben hat auch Shia LaBeouf, der in Vorbereitung auf seine Rolle wochenlang nicht duschte, sich einen Zahn zog und das Gesicht zerschnitt. Seine Leistung ist auf keinen Fall schlecht, aber so überzeugend wie Brad Pitt oder auch Jon Bernthal - der hier nach seinem Auftritt in „The Wolf of Wall Street“ erneut überraschend positiv auffällt - ist er dann doch nicht.

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Ist „Herz aus Stahl“ nun also ein schlechter Kriegsfilm? Ich würde sagen, ja. Auf jeden Fall! Ist „Herz aus Stahl“ damit auch ein schlechter Film? Nicht unbedingt, denn es ist immer eine Frage der Perspektive und der Erwartungshaltung. Wer einen spektakulären Actionfilm sehen möchte, kommt hier definitiv auf seine Kosten. Für mich braucht ein Film aber in erster Linie interessante Charaktere und ein gutes Drehbuch, das etwas zu erzählen hat. In Anbetracht der ersten Filmhälfte würde ich sagen, dass David Ayer auf jeden Fall etwas zu erzählen hat. Leider erzählt er seine Geschichte aber nicht zu Ende und so war der Film für mich eine große Enttäuschung auf hohem Niveau.

Es sind alle nötigen Voraussetzungen für ein echtes Meisterwerk vorhanden: Hätte der Regisseur die Ansätze der ersten Filmhälfte konsequent weitergeführt, könnte „Herz aus Stahl“ eine ähnlich intensive Wirkung auf mich haben, wie zum Beispiel das 1992er Kriegsdrama „A Midnight Clear“ - der kommt sogar ohne große Actionszenen aus, um die Gräuel und Wirren des Krieges zu verdeutlichen. Auch als unterhaltsames Kriegsspektakel, im Stile von „Stoßtrupp Gold“ oder „Inglourious Basterds“ hätte der Film funktionieren können, wäre von Anfang an auf die zweite Hälfte hingearbeitet worden. Leider ist der Film aber weder das eine noch das andere, David Ayer verschenkt dermaßen viel Potential, dass es schon fast ärgerlich ist.

Den Kinobesuch bereue ich aber trotzdem nicht, denn wenn man den Bruch in der Mitte erst einmal verdaut hat, bleibt immer noch ein überdurchschnittlicher Film, der ein bisschen in die gute, alte Zeit des politisch nicht ganz so korrekten Actionkinos zurückversetzt. Aber eben nur ein bisschen...

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