Steve Jobs - Kritik: Visionär oder Tyrann? Der filmische Blick auf den Apple-Chef

Unsere Filmkritik zu „Steve Jobs“
Tippt man im Google-Suchfeld den Begriff „Visionär“ ein und lässt sich die Bildersuche anzeigen, dann ist es das Gesicht von Steve Jobs, welches gleich mehrmals auf der ersten Seite auftaucht. Ein Titel also, den nicht nur Apple-Jünger dem Unternehmensmitbegründer geben würden. Der Erfolg von Apple ist unbestreitbar, die Umsatzzahlen, die jedes Jahr neue Werte erreichen, sprechen für sich – und Steve Jobs Rolle in dem Konstrukt ist entscheidend. Er war der Mann, der der Marke ihr Aussehen verlieh, der es schaffte, allein mit Vorträgen Begeisterungsstürme auszulösen, der Apple zurück auf Kurs brachte.
Dass mit seinem Ableben im Jahr 2011 der Name „Steve Jobs“ nicht von der Bildfläche verschwinden würde, war bei all dem Ruhm und Trubel um seine Person klar. Dass er jedoch nochmal mit einem so entscheidenden Film wie „Steve Jobs“ geehrt werden würde, hätte man nach dem mäßigen „Jobs“ wohl weniger vermutet. Gerade in dem Moment, in dem der klassische Aufbau eines Biopics das Thema gegen die Wand hätte fahren können, legt „Steve Jobs“ eine Kehrtwende hin, was wiederum wohl allein der Tatsache geschuldet ist, dass mit Regisseur Danny Boyle und Drehbuchautor Aaron Sorkin das wohl beste Team für den Stoff verpflichtet wurde.

Steve-Jobs-Kritik: „Musiker spielen ihre Instrumente. Ich spiele das Orchester.“
Die Herangehensweise an „Steve Jobs“ ist dabei denkbar einfach und dennoch genial: Der Film präsentiert drei einschneidende Szenarien im Leben des Visionärs, zeigt uns das Geplänkel vor den berühmten Keynotes und bringt uns die unterschiedlichsten Lebenssituationen von Jobs näher – wir sehen den eingebildeten Jobs bei der Präsentation des Macintosh im Jahr 1984, erleben einen enttäuschten und wütenden Unternehmer, der sich 1988 fernab von Apple mit dem NeXT durchsetzen will und bekommen den geläuterten Rückkehrer und die Premiere des iMac 1998 im dritten Abschnitt des Films serviert.
Auch wenn „Steve Jobs“ auf der 2011 erschienenen, autorisierten Biografie von Walter Isaacson basiert, ist der größte Teil der Leistung doch Aaron Sorkin zuzuschreiben, der einmal mehr beweist, dass er wohl zu den besten Drehbuchautoren Hollywoods gehört. „Steve Jobs“ lebt nämlich vor allem durch eines: seine Dialoge. Dabei werden alle Arten von Emotionen allein mit dem gesprochenen Wort ausgedrückt – ob Wut, Trauer, Humor, oder genauer: ob Streitigkeiten, Beschuldigungen, Ermutigungen oder Wortwitze. Gleichzeitig wandeln wir wie der persönliche Assistent von Jobs durch die Gänge der Präsentationsstätte, folgen dem Mann auf Schritt und Tritt und nehmen Anteil an seinem Denken und Handeln. Der Schnitt und die Kameraarbeit fallen bei „Steve Jobs“ in diesem Zusammenhang besonders positiv auf.

„Wie kommt es also, dass ich zehnmal am Tag lese 'Steve Jobs ist ein Genie‘?“
Im Sog des Charismas der Figur, die von Michael Fassbender mit großer Bravour verkörpert wird, kommen aber auch Zweifel an der Persona Jobs auf. Dinge, die der durchschnittliche Apple-Nutzer so nur aus Berichten zum Charakter von Steve Jobs schon vorher hätte erfahren können. Die Ebene der Kritik lässt den Film zu einem fantastischen Werk wachsen, denn Regisseur Danny Boyle meidet es, der Figur die Absolution zu erteilen. Gerade im Umgang von Steve Jobs mit seinem Freund und Apple-Mitbegründer Steve Wozniak wird deutlich, woran der steile Aufstieg von Jobs ebenfalls zu messen ist. Die harschen Worte, die viele Menschen leichtfertig als fehlende soziale Kompetenzen abtun werden, erzielen ihre Wirkung. Das Resultat: Menschlichkeit.
Die Ehrung durch das Biopic „Steve Jobs“ für dessen Protagonisten folgt nämlich auf der wohl menschlichsten Ebene, die möglich wäre. Der Film zeigt den Charakter Jobs nicht primär als Visionär, nicht primär als Genie, nicht primär als Mastermind, sondern als Mensch mit herausragenden Talenten und bedauernswerten Fehlern. So ist „Steve Jobs“ keine Lobhuldigung für Apple, sondern ein Biopic über eine bedeutende Persönlichkeit des 20. und 21. Jahrhunderts, die wir mit vielen Facetten kennenlernen dürfen.
Fazit
„Steve Jobs“ ist ein großartiges Biopic über einen Menschen, der mit seinen Visionen die technische Welt veränderte, im Inneren aber auch mit eigenen Problemen zu kämpfen hatte. Der Übermensch wird dekonstruiert, aber nicht zerstört. Durch die menschliche Komponente, die durch Dialoge und Verhaltensweisen der Schauspieler zum Tragen kommt, blüht „Steve Jobs“ so richtig auf.
Der Kinostart von „Steve Jobs“ ist am 11. November 2015.
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