2019 veröffentlichte Entwickler Obsidian mit The Outer Worlds eine angenehm bissige Sci-Fi-Satire, irgendwo zwischen Fallout: New Vegas und Firefly. Mit The Outer Worlds 2 wagt sich das Studio ein zweites Mal in die Weiten der Galaxie – und diesmal mit deutlich mehr Selbstbewusstsein. Wir haben die PC-Version gespielt und uns durch unzählige Dialoge, Gefechte und moralische Grauzonen geklickt. Im Test klären wir, ob sich die Serie dabei gut genug weiterentwickelt hat.
Fazit zu The Outer Worlds 2
Schon nach den ersten Spielstunden wird klar: Der zweite Teil ist kein Neuanfang, sondern eine wohlüberlegte Weiterentwicklung. Obsidian bleibt seinen Wurzeln treu, liefert aber genug frische Ideen, damit sich The Outer Worlds 2 nicht nach Aufguss anfühlt.
Der erste Teil war für mich ein kleiner Überraschungshit – charmant, aber etwas zu klein gedacht. Diesmal hat Obsidian beim Umfang gehörig zugelegt. Vier große Planeten und zahlreiche Raumstationen zum Erkunden bieten massig Umfang. Die größte Stärke liegt aber weiterhin im Rollenspiel. Ich liebe es, wie ich im jeden Gespräch mit NPCs völlige Narrenfreiheit dabei habe, wie ich agiere. Das Skill-System ist umfangreich, komplex und bietet hohen Wiederspielwert. Vor allem das Schwächen-System ist eine großartige Idee und sorgt für noch mehr Tiefe.
Auch wenn die Story dieses Mal einen Zacken schwächer ist, bleibt die Gesellschaftssatire nach wie vor bissig und auch nach 40 Stunden hatte ich noch Lust auf mehr. Ja, es gibt Bugs, ja, die KI ist doof wie Toast und ja, grafisch wäre noch mehr drin gewesen – aber das hier ist das, was Fallout mal war: frech, klug und spielerisch frei.
Sollte Obsidian noch einen dritten Teil entwickeln und die Schwächen bei KI und Grafik ausbessern, bin ich zuversichtlich, dass die Serie mit The Outer Worlds 3 endgültig in den Rollenspielolymp aufsteigen könnte.
- Hervorragendes Skill-System
- Lange Spielzeit (ca. 50 bis 60 Stunden)
- Vier unterschiedliche Planeten
- Hoher Wiederspielwert dank unterschiedlicher Builds
- Entscheidungen haben spürbare Auswirkungen
- Satirische Gesellschaftskritik, die nicht platt wirkt
- KI der Gegner nach wie vor schwach
- Vereinzelt Bugs und kleine technische Probleme
- Gesichtsanimationen der NPCs könnten besser sein
- Keine deutsche Sprachausgabe
Das Erd-Direktorat braucht euch
In The Outer Worlds 2 schlüpft ihr in die Rolle eines frisch gebackenen Agenten des Erd-Direktorats, einer Art Weltraumpolizei, die in den undurchsichtigen Konflikten zwischen Megakonzernen und Freiheitskämpfern für Ordnung sorgt. Als Captain des Raumschiffs "Inkognito" wird eure Crew dabei zu Spielbeginn verraten und ihr begebt euch anschließend auf die Jagd nach den Verschwörern.
Die Story der Fortsetzung spielt zwar im selben Universum, jedoch besucht ihr mit dem Arcadia-System eine komplett neue Spielwelt und erlebt eine eigenständige Geschichte. Wissen aus dem Vorgänger ist also nicht nötig. Eines bleibt aber gleich: Die satirische Note. Wer die ironischen Firmenmottos, die absurden Propagandaspots und das kapitalistische Dauerlächeln mochte, wird auch in The Outer Worlds 2 nicht enttäuscht.

Das Writing ist wieder messerscharf. Obsidian hat seine Stärken in Sachen Dialoge und Entscheidungsfreiheit beibehalten. Die große Rahmenhandlung ist vorhersehbar, doch die vielen Nebenquests sind sowieso das eigentliche Herzstück. Immer wieder werdet ihr vor Entscheidungen gestellt, die euch wirklich ins Grübeln bringen: Helft ihr einer Arbeiterbewegung, die sabotiert wird, oder nutzt ihr die Situation zu eurem Vorteil?
Besonderes Highlight sind die unterschiedlichen Herangehensweisen in den Dialogen. Ihr könnt jede Konversation mit absurden Kommentaren direkt entgleisen lassen, sachlich bleiben, rein gar nichts ernst nehmen oder einfach direkt auf alles schießen, was euch anspricht.
Evolution statt Revolution beim Gameplay
The Outer Worlds 2 bleibt dem Mix aus Rollenspiel, Schießerei und Erkundung treu. Ihr ballert, redet, lootet und levelt – diesmal aber mit mehr Feinschliff. Das Gunplay wurde spürbar verbessert: Waffen haben mehr Wumms und Trefferfeedback wirkt knackiger. Die Vielfalt der Schießeisen und Nahkampfwaffen ist zudem vorbildlich. Denn es gibt nicht nur normale Knarren, sondern auch Waffen mit Charakter.
Beispielsweise gibt es einen Säbel, der Feinde tanzen lässt, wenn ihr im richtigen Takt die Angriffstaste drückt. Oder eine Waffe mit eigenem Erfahrungsbalken, die immer besser wird, je länger ihr sie benutzt. Waffen können zudem mit einer Masse an unterschiedlichen Mods an Werkbänken weiter an eure Bedürfnisse angepasst werden.
Auf der Rollenspielseite wurde ebenfalls gehörig geschraubt: Dialogoptionen sind vielfältiger, und viele Quests lassen sich komplett gewaltfrei lösen. Neu ist auch das überarbeitete Skill-System. Auf zwölf unterschiedliche Skills wie Schleichen, Hacken oder Rhetorik wollen Punkte verteilt werden. Hinzu kommen zirka 100 weitere Perks. Die Charakterentwicklung ist die größte Stärke der Fortsetzung, kann Spieler mit ihren Möglichkeiten aber auch teilweise überfordern.
Denn ständig werdet ihr im Spielverlauf mit Skillchecks konfrontiert. Viele davon werdet ihr nicht ausführen können, weil eure Fertigkeit nicht hoch genug ist oder ihr den entsprechenden Perk nicht besitzt. Auch in Dialogen bleiben euch bei fehlenden Skills entsprechende Optionen ausgegraut. Wenn ihr in der Spielwelt an einer Kiste vorbeikommt, für die euer Schlossknacken-Skill nicht hoch genug ist, müsst ihr euch die Stelle merken oder eine Notiz machen. Pro Areal könnt ihr im Spiel leider nur fünf Markierungen setzen, um euch Stellen für später zu merken. Viel zu wenig!

Komplettisten kann dieses System zur Verzweiflung bringen, aber es bietet auch enormen Wiederspielwert für neue Spieldurchgänge mit unterschiedlichen Builds. Besonders genial: The Outer Worlds 2 analysiert euren Spielstil und wird euch von Zeit zu Zeit sogenannte "Schwächen" anbieten. Dies sind besondere Perks, die euch einen Vorteil, aber auch einen Nachteil bescheren. Wenn ihr im Spiel zum Beispiel oft Dialoge überspringt, bietet euch das Spiel den Perk "Fettnäpfchenmagnet" an. Dadurch habt ihr bei Dialogen Zeitdruck, eine Antwort zu wählen, verdient im Gegenzug aber allgemein +15 % mehr Erfahrung. Ihr müsst diese Schwächen nicht annehmen, wenn ihr nicht wollt, sie sind aber teilweise äußerst verführerisch und verändern die Spielerfahrung in eurem Durchgang deutlich.
Wie im ersten Teil könnt ihr Begleiter für eure Crew rekrutieren. Bis zu sechs Mitstreiter mit eigenen Stärken und Schwächen können sich euch anschließen. Sie bringen ihre eigenen Skills und Ausrüstung mit, die ihr durch den Abschluss ihrer Questreihen weiter verbessern könnt. Leider bleiben die Begleiter im Vergleich zu anderen Rollenspielen wie Baldur's Gate 3 relativ blass. Sie entwickeln nicht wirklich komplexe Beziehungen untereinander und mehr als ein paar passive Kommentare aus dem Hintergrund könnt ihr von ihnen während eures Abenteuers nicht erwarten.
Bei der Erkundung profitiert der Nachfolger von größeren, offeneren Zonen. The Outer Worlds 2 wird dabei aber nie zum Open-World-Monster. Stattdessen setzt Entwickler Obsidian auf kompakte, handgebaute Areale mit dichtem Story- und Questgeflecht. Jeder neue Planet hat seine eigene Vegetation. Es gibt paradiesische Gebiete oder Eisplaneten mit unterschiedlichen Stimmungen und Farbgebungen.

Ein kleiner Wermutstropfen bleibt aber nach wie vor: Die KI der Gegner ist immer noch nur Mittelmaß. Sie rennen gelegentlich ins offene Feuer oder bleiben an Deckung hängen. Auch das Missionsdesign wiederholt sich stellenweise – „Geh dorthin, sammle das, sprich mit X“ – diese Queststrukturen kommen ziemlich häufig vor. Aber dank der hervorragenden Dialoge und der Flexibilität der Entscheidungen fühlt sich das selten wirklich störend an.
Hübscher, aber nicht fehlerfrei
Auf dem PC zeigt The Outer Worlds 2 deutlich, dass Obsidian in Sachen Technik dazugelernt hat. Die Unreal Engine 5 sorgt für sattere Farben, feinere Lichtstimmungen und glaubwürdige Gesichter – endlich sehen Charaktere nicht mehr aus, als hätten sie Wachs im Gesicht. Trotzdem wirken die Charaktermodelle und Gesichtsanimationen im Gegensatz zur Konkurrenz insgesamt immer noch etwas zu steif und leblos.

Das Spiel bleibt stilistisch seiner Linie treu. Statt fotorealistischer Grafik setzt Obsidian erneut auf einen leicht comicartigen Look – ein bisschen Retro-Futurismus, ein bisschen Weltraum-Western. Starke Farbkontraste stechen etwa auf den Planeten immer wieder hervor und sind nicht so dystopisch-düster wie in anderen Sci-Fi-Rollenspielen gestaltet.
Allerdings ist The Outer Worlds 2 kein technisches Wunderwerk. Kleinere Bugs haben sich in unserem Testdurchlauf immer mal wieder eingeschlichen: Fehlende Beine bei NPCs, gelegentlich Abstürze oder Quest-NPCs, die vergessen haben, dass wir schon miteinander gesprochen hatten. Nichts davon ist gravierend, aber es erinnert daran, dass Obsidian bei der Feinjustierung noch nachbessern kann.
Galaktische Ohrwürmer, aber keine deutsche Synchro
Der Soundtrack von The Outer Worlds 2 ist wieder einmal ein Highlight. Unterschiedliche Radiostationen lassen sich im Spiel einstellen und untermalen eure Planetenerkundung mit eingängigen Songs und witzigen Propaganda-Slogans passend zum satirischen Unterton des Spiels.
Blöd hingegen: Es gibt im Spiel nur deutsche Texte, aber keine deutsche Sprachausgabe. Wer nicht gerne liest und des Englischen nicht mächtig ist, kann diesen Umstand als sehr störend empfinden.



