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Die Realität von morgen: Warum in Zukunft nichts und alles wahr ist

© Alexandr Screaghin / Getty

Die technischen Entwicklungen der letzten Dekaden haben die Grenzen zwischen Realität und Fiktion weggewischt und damit auch das Konzept von Gewissheiten. Verzerrte Realitäten gehen so weit, dass die Werbeindustrie sogar meine Familie als Werbefläche benutzt. Doch wie ist es dazu gekommen?

Wenn es zwei Konstanten in der Menschheitsgeschichte gibt, dann sind das a) Krieg und b) die Unfähigkeit der Menschen, historische Disruptionen als solche zu erkennen. Die meisten Revolutionen ignorieren wir, weil sie schleichend daherkommen. Erst in der Rückschau offenbart sich das Historische im Alltäglichen. Und ja, auch das Jahr 2042, in dem wir uns befinden, ist eine erstaunliche Zeit, aber dazu gleich mehr.

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Themenwoche Zukunft auf GIGA

Ja, das ist ein Beitrag über das Jahr 2042. Nein, ihr habt keine Zeitreise gemacht. Dieser Beitrag gehört zur Themenwoche „Die Zukunft im Jahr 2042“ auf GIGA, in der wir unser Millennium um 21 Jahre weiterdrehen und euch zeigen, wie die Tech- und Gaming-Welt im Jahr 2042 aussehen könnte.

Revolutionen sind (fast) unsichtbar

Mein Großvater hat mir oft darüber erzählt, wie die Halbleiterrevolution in den 1980er und 1990er Jahren als etwas fast schon Natürliches schien. Größere Fernseher, hübschere Videospiele, elektronische Musikproduktion wurden nach und nach selbstverständlich. Wie sehr das alles unser Leben, ja unseren Planeten verändert, dämmerte uns erst nach und nach.

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Das Gleiche gilt für die informationelle Revolution durch das Internet in den 2000ern und die Kommunikationsrevolution durch Smartphones in den 2010ern. Sie strukturierten das Weltwissen und machten Waren unmittelbar verfügbar. Dennoch unterschieden wir damals noch zwischen einer digitalen Sphäre und dem „Real Life“ – ein folkloristischer Begriff, der heute absurd anmutet.

Noch in den Zwanzigerjahren unseres Jahrhunderts gab es einen Kontrast zwischen natürlichem, menschlichen Denken und Künstlicher Intelligenz. Heute, in Zeiten von Brain-Interfaces, Zero-Gap-Kommunikation und fortgeschrittener Robotik erscheint uns das piefig und reaktionär.

Veränderte Spielregeln

Es waren vor allem zwei Innovationen, die uns in diese neue Welt katapultierten: Die Durchbrüche beim maschinellen Lernen in den 2020ern und bei der Entwicklung bezahlbarer Quantencomputer in den 2030ern.

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Dachte man vorher, dass grundsätzlich alles wahr ist, was man sieht, solange nicht das Gegenteil bewiesen wurde, wissen wir es spätestens nach der Ost-West-Blockkrise von 2029 besser. Die damalige Kriegserklärung eines Staatenlenkers an einen anderen stellte sich erst Monate später als aufwändig fingierte Videobotschaft heraus. Heutzutage kann jeder innerhalb von Sekunden solche Videos erstellen – per Sprachbefehl.

Verschlüsselung und digitale Verifizierung schützen nicht mehr, seit Quantenrechner selbst die modernsten kryptographischen Verfahren in Sekunden knacken. Inzwischen ist eine ganz neue Industrie daraus entstanden, die zum Beispiel täuschend echte Werbebotschaften in kostenlose Kommunikationsdienste einpflanzt.

So empfahl mir meine Tochter unlängst in einer VR-Botschaft, dass ich mir ein neues Auto kaufen solle. Der Algorithmus meines VR-Mail-Anbieters ergänzte, dass ich mir das neue Tesla Model Z3 Ultimate mal ansehen sollte. In der Botschaft kamen diese Worte aus dem Mund meiner Tochter, in der Realität hatte sie jedoch nie ein konkretes Produkt empfohlen. Heute kommt uns das normal vor, vor wenigen Jahren hätten wir einen Messenger mit einer solchen Funktion nie angerührt.

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Zeitgeist im Zweifel

Aus technischen Entwicklungen wie dieser entstand eine neue gesellschaftliche Grundhaltung: Wir glauben nichts mehr. Nicht einmal, wenn wir es mit eigenen Augen sehen. Ist das gut? Ja. Ist das schlecht? Auch ja. Denn wir sind immer entfremdeter von der Realität, unseren Sinnen, selbst von unseren Nächsten. Kann ich der VR-Videonachricht meiner eigenen Tochter noch trauen, wenn ich weiß, dass sie zig Knoten im Internet passiert hat, an denen sie jemand hätte manipulieren können?

Wir sind eine miteinander verwobene, und doch weit voneinander entfernte, nihilistische Weltgemeinschaft geworden. Ich kann jedem der 9,4 Milliarden Menschen auf diesem Planeten innerhalb einer Sekunde eine Information mitteilen, meine Sichtweisen und Emotionen vermitteln – aber niemand wird mir glauben.

Verlust der Nähe

Und damit sind wir beim Kernproblem unserer Zeit. Ohne Vertrauen kann es keine Nähe geben und ohne Nähe kein Vertrauen. Ein desaströser Teufelskreis, denn die emotionale Reife von Menschen hängt unmittelbar davon ab, wie sie Nähe und Vertrauen als Heranwachsende erlebt haben. Züchten wir eine Generation an emotional kalten Menschen heran, die eher von Trieben und Selbstoptimierungszwängen als dem Willen zu Bindung und Nähe geleitet werden?

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Als Optimist setze ich auf die Selbstheilungskräfte der Menschheit. Nahezu jede Bewegung in eine falsche Richtung hatte in der Geschichte eine Gegenbewegung zur Folge. Das beste Beispiel ist der Klimawandel und die Entwicklung erneuerbarer Energien und privater Energie-Autonomie.

Ein augenzwinkender Blick auf Tagesaktuelles im Jahr 2042:

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Gesellschaft am Scheideweg

Was uns aus dieser Vertrauenskrise führen wird? Nun, das ist schwer abzuschätzen, vielleicht muss die Resignation in unserer Gesellschaft so weit fortschreiten, dass sie bewusst macht, was wir verloren haben. Vielleicht birgt die Ankunft von Maschinenwesen Hoffnung, die dir und mir ähneln, als Teil unserer Gesellschaft, die über ihre erweiterte Kognition und eigene Kommunikationsprotokolle in der Lage sind, Wahrheiten und Realitätsanmaßungen besser voneinander zu unterscheiden. Vielleicht ist es aber auch eine Rückbesinnung der Menschen auf ein vordigitales, ja, vorindustrielles Leben.

Entwicklungen in beide Richtung sind bereits zu sehen: erstere mit Maschinen, die eine Synthese aus menschenähnlichem Denken, Erfahren und Fühlen mit den erweiterten Möglichkeiten des Digitalen verknüpft. Diese Mensch-Maschine-Hybriden wirken so natürlich wie Du und ich, gleichzeitig sind sie emotional so hoch entwickelt, dass sie nicht nur eigene Bedürfnisse haben, sondern diese auch als handelnde Subjekte befriedigen. Kurzum: Maschinen werden sich bald als Teil unserer Gesellschaft begreifen, nicht mehr als Diener der Menschheit.

Die andere Richtung repräsentiert die Neohippie-Bewegung, die sich bewusst für ein Leben abseits von Technologie entscheidet und in den Medien zumeist als Kult oder gar Sekte verschrien wird. Ob die NHs wirklich eine zersetzende Gefahr für den Fortschritt darstellen oder sie als erste Gruppe dieses Zeitalters das große Dilemma erkannt und die richtigen Konsequenzen daraus gezogen haben, kann und werde ich hier nicht erörtern. Nur die Hoffnung äußern, dass es zwischen Technologie-Optimisten und Zweiflern nicht dereinst zum großen Konflikt kommt. Denn ideologische Sprengkraft ist hier allemal vorhanden.

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