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Sexuelle Übergriffe im Metaverse: Warum Zuckerbergs Lösung das wahre Problem ignoriert

Ein festgelegter Abstand soll für mehr Sicherheit im Metaverse sorgen (© Getty Images / Alexandr Screaghin)
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In Mark Zuckerbergs Metaverse kann man mithilfe seines Avatars eine virtuelle Welt entdecken, die der Realität nahekommen soll. Nach sexuellen Übergriffen im Metaverse wird deutlich, dass die unbegrenzte Freiheit ihre Schattenseiten hat. Nun sollen Abstandsregeln die Lösung sein – ich finde: Das ist der falsche Weg! (Ein Kommentar von Sarah Börner)

Triggerwarnung: Der Artikel beschreibt Vorfälle sexualisierter Gewalt. Falls euch dieses Thema belastet oder zu sehr aufwühlt, raten wir euch ab, ihn zu lesen.
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Das Metaverse soll die Grenzen von Social-Media-Plattformen ausdehnen und eine realitätsnahe virtuelle Welt erschaffen. Facebook-Gründer Mark Zuckerberg ist nur eine von vielen Tech-Größen, die diese Idee verfolgen. Mittels eines Avatars trefft ihr euch im Metaverse mit anderen Menschen, besucht Events oder arbeitet mit Kolleginnen und Kollegen. Doch wie das echte Leben hat auch das Metaverse Schattenseiten.

Sexuelle Übergriffe im Metaverse

Im Dezember 2021 beschrieb Nina Jane Patel, wie sie sexualisierte Gewalt im Metaverse erleben musste:

„Nachdem ich gerade mal 60 Sekunden online war, wurde ich verbal und sexuell belästigt – 3-4 männliche Avatare, mit männlichen Stimmen, haben meinen Avatar im Wesentlichen, aber eben virtuell, in der Gruppe vergewaltigt und Fotos gemacht. Als ich dem entkommen wollte, schrien sie 'Tu nicht so, als hätte es dir nicht gefallen‘ und 'Geh und reibe dich an dem Foto‘.“ (Quelle: Medium)

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Diese Zeilen zu lesen, ist schockierend. In erster Linie ist es schockierend, dass Patel überhaupt eine solche Erfahrung machen musste. Dann ist es schockierend, dass derartige Handlungen im Metaverse überhaupt möglich sind. Zum Dritten ist es schockierend, wie Zuckerberg dieses Problem lösen will: Mit Abstandsregeln. (Quelle: Oculus Blog)

Was Mark Zuckerberg mit Meta erreichen will, erfahrt ihr in unserem GIGA-Video:

Facebook wird zu Meta: Das sind Mark Zuckerbergs Pläne
Facebook wird zu Meta: Das sind Mark Zuckerbergs Pläne

Nein, Abstandsregeln sind keine Lösung

Die Abstandsregel bedeutet, Avatare können sich nur noch auf ungefähr 1,2 Meter nähern. „Wenn jemand versucht, deine persönliche Grenze zu überschreiten, stoppt das System seine Vorwärtsbewegung, wenn er die Grenze erreicht“, heißt es in dem offiziellen Blogeintrag.

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Als ich davon erfuhr, habe ich vieles gefühlt, aber keine Erleichterung. Hier wird nicht an dem Problem selbst gearbeitet, sondern darum herum. Klar, es ist ein Weg, sich nicht zu nahe zu kommen. Aber es ist keine Lösung dafür, dass sexualisierte Gewalt virtuell stattfindet. Es ist eine Regel, die das Metaverse näher an die Realität bringt, als mir persönlich lieb ist.

Als Frau muss ich mich ständig an solche Regeln halten.

  • Sei abends nicht allein unterwegs.
  • Oder geh am besten abends einfach gar nicht raus.
  • Melde dich, sobald du zu Hause bist.
  • Überlege dir genau, was du anziehst.
  • Hör keine Musik auf dem Nachhauseweg.
  • Hab immer deine Umgebung im Blick.
  • Rufe dir abends lieber ein Taxi.
  • Kommt dir ein Mann entgegen, schaue ihn nicht direkt an.
  • Trag am besten eine Kapuze oder Mütze, damit man dich nicht (als Frau) erkennt.
  • Läuft jemand hinter dir, dann wechsle die Straßenseite.
  • Und natürlich: Halte Abstand.
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Abstand halten, damit nichts passiert, das macht mich sauer, es enttäuscht, frustriert und verletzt mich. War die neue virtuelle Welt nicht schon bei den sexuellen Übergriffen eine ernüchternde Kopie der Realität, so ist sie es spätestens jetzt. Denn die Lösung für das Fehlverhalten anderer ist mal wieder, dass meine Freiheit eingeschränkt wird.

Zu viel Platz für Hass, Intoleranz und Gewalt

Dass Hass, Intoleranz und Gewalt, die wir aus dem Internet kennen, sich auch im Metaverse fortsetzen, ist wenig überraschend. Dazu passen auch die Kommentare zu dem Blogbeitrag von Patel. „Und die Beweise? Ohne sie ist es nur ein nettes feministisches Märchen“, heißt es dort zum Beispiel. Oder: „Das ist eine unglaubliche Geschichte. Im wörtlichen Sinne meine ich, es ist nicht glaubwürdig. Ich bin auch daran interessiert, proaktiv ein Opfer zu sein. Kannst du mir dafür ein paar Tipps geben oder braucht man dafür einfach Talent?“ Auf dem folgenden Screenshot seht ihr mehr davon.

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Screenshot zu den Kommentaren (Bild: GIGA).
Kommentare zu dem Blogeintrag über den sexuellen Angriff im Metaverse. (Bildquelle: GIGA)

Ein Thema zieht sich durch die Kritik: Es ist doch nur eine virtuelle Realität. Aber ist es das wirklich „nur“?

Die Autorin, Nina Jane Patel, ist selbst Expertin für diese Frage. Laut ihrer Website erforscht sie „Körper, Bewegungen und Selbstdarstellung im Metaverse“. Die virtuelle Realität wurde, so Patel, „im Wesentlichen so konzipiert, dass Geist und Körper virtuelle/digitale Erfahrungen nicht von realen unterscheiden können.“ Das erklärt Patels eigene Reaktion auf das Erlebte: „Ich erstarrte.“

Mit dem eigenen Avatar wird man selbst Teil des Metaverse. Dass man Erlebtes mitfühlt und körperlich darauf reagiert, kennen alle, die schon mal ein Horror-Spiel mit VR-Brille gespielt hat.

Die Aufgabe von Meta

Ob sexualisierte Gewalt im Metaverse mit sexualisierter Gewalt in der Realität gleichgesetzt werden kann, möchte ich mir nicht anmaßen. Was Nina Jane Patel mitansehen und erleben musste, ist in der realen Welt aber eine Straftat (§ 177 laut StGB), die mit Freiheitsstrafe geahndet wird. Dass Meta an dieser Stelle mit Abstandsregeln antwortet, ist noch nicht mal ansatzweise gerechtfertigt und macht in keiner Weise gut, was Opfer wie Patel im Metaverse erfahren mussten.

Welche Erfahrungen Frauen in der Gaming-Szene gemacht haben, erfahrt ihr in dem separaten GIGA-Artikel:

Wer als virtueller Avatar im Netz oder Metaverse unterwegs ist, verhält sich oft anders und lässt Hemmungen fallen. Das ist nicht neu, man nennt es den „Proteus-Effekt“. Doch dieser Effekt ist keine Begründung dafür, dass Handlungen im Metaverse keine Konsequenzen haben. Vielmehr sollte es gerade deswegen Anlass sein, schärfere Sanktionen aufzuerlegen. Schließlich ist es nicht der Avatar selbst, der sich entscheidet, einem anderen Avatar Gewalt anzutun – es ist der Mensch, der dahintersteht.

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