Dieses Urteil könnte auch dich betreffen: Bisher war es nicht möglich, Spiele die du auf Steam gekauft hattest nach „Gebrauch“ an Andere weiter zu verkaufen. Jetzt hat ein französisches Gericht diesen Steam-internen Bann für rechtswidrig erklärt.
Gebrauchte Steam-Spiele an andere Leute weiter zu geben oder gar zu verkaufen – das war bisher nicht möglich. Die französische Verbraucherorganisation UFC-Que Choisir sah diesen Umstand und einige weitere Punkte in den Nutzungsbedingungen der Plattform Steam als rechtswidrig an – Und zog damit vor Gericht. Seit 2015 wurde vor dem höchsten Gericht in Paris verhandelt. Jetzt fiel ein Urteil: 14 Paragraphen der Nutzungsvereinbarung sind rechtswidrig und müssen überarbeitet werden.
Bei der Rechtsprechung wurde europäisches Recht angewandt
Kernpunkt der Verhandlungen war das europäische Recht auf „freie Bewegung von Gütern innerhalb der Union“ was nichts anderes heißt als das Recht auf freien Handel. Es ging darum, dass virtuelle Güter, in diesem Fall vorrangig Videospiele, vor dem Gesetz genauso behandelt werden sollen, wie ihre physischen Gegenstücke. Wer ein Spiel auf einer Disk oder einem anderen Datenträger kauft, hat das Recht, diesen nach Belieben weiter zu verkaufen, verschenken oder auszuleihen. Das soll jetzt auch für rein virtuelle Waren möglich sein. Das heißt für Plattformen wie Steam, Epic Store, Origin und Co.: Diese Weitergaben per Bann zu unterbinden, ist rechtswidrig.
Steam muss sich noch mehr gefallen lassen
Nicht nur der Weiterverkaufs-Bann war teil der Anklage. Ebenfalls muss die Plattform jetzt deutlicher machen, wann und warum man von Steam gebannt werden kann. Auch die Steam-Wallet muss überarbeitet werden. Bisher war es so, dass wenn man seinen Account löscht, jegliches noch bestehendes Steam-Guthaben an den Betreiber Valve geht. Jetzt soll es möglich sein, sich selbiges auszahlen zu lassen. Sollte dir durch eine über Steam erworbene Software (einschließlich Beta-Versionen) ein Schaden entstehen, muss Valve jetzt ebenfalls dafür gerade stehen.
Es ist noch nicht aller Tage Abend
Valve hat angekündigt, gegen das Urteil in Revision zu gehen. Somit ist der Fall noch nicht abgeschlossen. In dem Urteil hieß es, dass 14 Punkte der Nutzungsvereinbarung innerhalb eines Monats nach der Rechtsprechung überarbeitet werden müssen. Für jeden weiteren Verzugs-Tag nach Ablauf dieser Frist droht dem Unternehmen eine Strafe von 3000 Euro pro Tag (bis zu sechs Monate). Somit ergibt sich eine Maximal-Strafe von etwa 540.000 Euro. Eine recht kleine Summe, bedenkt man die 4,3 Milliarden Dollar an Einnahmen, welche Steam allein im Jahr 2017 eingefahren hat. Desweiteren verlangt das Gericht, dass Steam das gefällte Urteil für drei Monate sichtbar auf seiner Seite posten muss. Der Betreiber Valve beruft sich darauf, dass der Erwerb einer Software-Lizenz einem Abonnement gleich kommt, welches nicht übertragbar ist. Man habe den Nutzern bereits das Recht eingeräumt, Spiele bis 14 Tage nach Erwerb und weniger als zwei Stunden Spielzeit anstandslos zurück geben zu können.
Werden die Launcher zur Wühlkiste?
Da das Urteil auf europäischer Ebene gilt, betrifft es auch den deutschen Spielemarkt. Wird es jetzt also bald möglich sein, dass Steam und andere Launcher zum Second-Hand Shop für Videospiele verkommen? Die UFC-Que Choisir hat jedenfalls angekündigt, nach dem Sieg bei der Verhandlung auch gegen andere Betreiber vorgehen zu wollen. Bis zum endgültigen Abschluss der Verhandlungen lässt Valve allerdings verlauten, dass sich erst einmal nichts bei Steam ändern wird.
Das ist nicht die erste Klage
Bereits 2012 musste Valve vor ein europäisches Gericht ziehen. Kläger war hier der deutsche Bundesverband der Verbraucherzentrale. Auch hier ging es um das Recht auf Weiterverkauf von gebrauchten Spielelizenzen. Allerdings ging der Fall 2014 zu Gunsten von Valve aus. Nicht so 2016 in Australien: Hier wurde das Unternehmen zu einer Strafe von 3 Millionen Dollar verurteilt, weil es eine lückenhafte Regelung für die Rückgabe von Spielen aufwies.
Meinung von Johannes Repp
Heutzutage geht der Trend immer weiter weg von materiellen Spieleverkäufen, hin zu digitalen. Das erklärt auch, warum Unternehmen wie GameStop gerade sehr stark unter den sinkenden Absatzzahlen anfangen, zu kränkeln. Allerdings sehe ich die Gleichbehandlung von digitalen und materiellen Spielekopien ein wenig kritisch. Eine virtuelle Kopie, die aus nichts als Code-Zeilen besteht ist sehr wertstabil. Keine Ratten können die Box zerfressen, keine Kratzer den Datenträger beschädigen. Da sie in keiner Form „greifbar“ sind, ist ihr Wert nur schwer schätzbar. Das reine Spiel kann ich nicht ins Regal stellen und mir anschauen. Warum soll ich es also behalten, wenn ich damit fertig bin? Was hält mich davon ab, fast ein Jahrzehnt nach Veröffentlichung und hunderten Stunden Spielzeit einen Titel wie GTA V an jemanden weiter zu geben, der das Spiel „wie neu“ bekommt? Was ist daran schlimm?
Na ja, für den Endnutzer eigentlich nichts, schließlich kann ich das Spiel zum Schleuderpreis auf den Markt werfen, um es los zu werden und ein Anderer freut sich dann über ein ganz besonderes Schnäppchen. Damit geht allerdings dem Entwickler ein potenzieller Käufer durch den Lappen – er verdient daran keinen Cent. Das mag für eine Firma wie Rockstar verschmerzbar sein, aber was ist mit Indie-Studios, die sehr storylastige Spiele auf den Markt bringen? Spiele wie What remains of Edith Finch, Gone Home oder Deponia haben eine wunderschöne Story aber aufgrund ihrer Linearität keinen hohen Wiederspiel-Wert. Wenn ich in meinem Freundeskreis mit solchen Spielen Ringtausch-Aktionen untereinander beginne, dann geht den Studios viel potenzieller Umsatz flöten. Umsatz, der bei solch kleinen Studios über Gedeih und Verderb entscheiden kann.
„Aber früher ging das doch auch!“ – Richtig, früher hat man auch ständig Spielemodule unter Freunden getauscht. Der Knackpunkt: Eines der schönsten Dinge an der Digitalisierung ist, dass Indie-Entwickler direkt über das Internet ohne viel Aufwand eine große Masse an Leuten erreichen können. Früher hatte man viel höhere finanzielle Aufwendungen. Anzeigen schalten, Module oder Disks produzieren lassen, Packungen designen und herstellen ... dieser Kostenberg konnte oft nur mit Hilfe eines Publishers gedeckelt werden – welcher natürlich bei der Entwicklung mitreden wollte. Dieser Mangel an Unabhängigkeit wird durch Plattformen wie Steam, auf denen man frei Spiele veröffentlichen kann oder Unterstützungsplattformen wie Kickstarter oder Patreon nach und nach abgebaut.
Ich glaube, dass dieses Urteil mehr den kleineren Studios und Entwicklern schadet als den großen. Und einen Nutzen für den Spielemarkt an sich sehe ich erst recht nicht. Hands aufs Herz: Nach ein, vielleicht zwei Durchläufen bin ich doch viel eher geneigt, ein kleineres Story-Spiel zu verscherbeln als einen Triple-A Titel.
Steam hat einige Probleme – allerdings sehe ich das gefällte Urteil als streckenweise problematisch an.