Kann Facebook Nachrichten, die man per WhatsApp verschickt, mitlesen? Das sei nicht möglich, erklärte Mark Zuckerberg dem US-Kongress vor wenigen Tagen. Ein Entwickler widerspricht dem CEO – und hat konkrete Beweise.

 
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Facebook-CEO Zuckerberg: Halbwahrheiten vor dem US-Kongress

Facebook habe keinen Zugriff auf WhatsApp-Nachrichten, betonte Mark Zuckerberg bei seiner Anhörung im US-Kongress vor wenigen Tagen. Ein Abgeordneter hatte den CEO gefragt, ob Werbetreibende auf die Nachrichten der Anwender zugreifen können, um ihnen im Internet passende Anzeigen zu liefern. WhatsApp sei vollständig verschlüsselt, fügte Zuckerberg hinzu.

Über WhatsApp-User müsse Facebook nicht viel wissen, sagte der CEO. Es sei in dieser Hinsicht eine „leichte“ App, die zudem voll verschlüsselt ist.  Zuckerberg fasst zusammen: „Wir sehen die Inhalte nicht.“

iOS-Entwickler Gregorio Zanon widerspricht den Aussagen des CEOs nun deutlich und behauptet: Facebook kann – zumindest rein theoretisch – auf alle Nachrichten und Anhänge zugreifen. Schuld ist eine Eigenheit des iPhone-Betriebssystems iOS.

iOS: App-Gruppen geben Blick auf Nachrichten frei

In einem Blog-Eintrag erklärt Zanon, Entwickler der iPhone-Dateiverwaltung iMazing, welche von Mark Zuckerbergs Aussagen stimmen – und welche nicht. Zwar seien Nachrichten, die man über WhatsApp verschickt, tatsächlich verschlüsselt. Das gelte aber nur für den Sendevorgang. Dort, wo das iPhone Nachrichten dauerhaft ablegt, gebe es diese zusätzliche Verschlüsselung nicht – für Sicherheit sorge hier nur die Verschlüsselung des Betriebssystems selbst. In dieser Datenbank sind hier neben Nachrichten auch Telefonnummern, Uhrzeiten und Speicherorte aller Anhänge hinterlegt.

Das eigentliche Problem liege nun darin, dass Applikationen seit iOS 8 untereinander Dokumente austauschen können. Zumindest dann, wenn sie zu einer so genannten „App Group“ (dt. App-Gruppe) gehören und auf einen geteilten Ordner im System zugreifen. Seit 2016, vermutet Zanon, gehört WhatsApp zur gleichen App-Gruppe wie die Facebook-App und der Messenger. Auf die Datenbank der WhatsApp-Nachrichten hat seitdem auch die Facebook-App zugriff.  Zumindest in der Theorie, betont Zanon.

WhatsApp und die Facebook-App ließen sich zum Beispiel so modifizieren, dass die Inhalte der WhatsApp-Datenbank auch an die Facebook-App weitergereicht werden. Besonders tückisch: Anwender bekämen davon nichts mit – der Datenaustausch zwischen Apps ist schließlich erlaubt und erwünscht. Ein guter Entwickler bräuchte für so eine Modifikation nur ein paar Tage, meint Zanon.

Wie sicher sind meine WhatsApp-Chats?

Dass Facebook theoretisch auf WhatsApp-Chats zugreifen könnte, ist also nichts Neues. Die entscheidende Frage: Hätte man davon Notiz genommen, wenn Facebook das Schlupfloch der App-Gruppen missbraucht hätte, um Chats einzusehen? Wahrscheinlich – es wäre ein Riesenskandal. Genau hinsehen sollte man trotzdem, meint Zanon. Allein schon deshalb, weil Mark Zuckerberg vor dem US-Kongress den Eindruck erweckt hat, dass Facebook unter keinen Umständen mitlesen kann. Einen Teil der Wahrheit hat der CEO damit – vielleicht bewusst – verschwiegen.

Quelle: Medium/Gregorio Zanon