Die Frage, ob Kaidan Alenko oder Ashley Williams auf Virmire dem Tod überlassen wird, gilt als eine der schwersten Entscheidungen nicht nur der Mass-Effect-Reihe, sondern als eine der schwersten Entscheidungen nonlinearer Game-Plots überhaupt. Ich gebe auch ganz offen zu, dass es mir wirklich nicht leicht fiel, die Wahl zu treffen – allerdings hauptsächlich deshalb, weil ich die ganze Zeit auf die Option hoffte, einfach beide über die Klinge springen lassen zu können.

Zeit, die Kammer zu fluten.

Gut, das war ein bisschen geschummelt, denn ich hab mich doch relativ schnell dafür entschieden, Ashley Fucking Williams loszuwerden. Ihr Charakter hatte sich im Vorfeld nur selten über „Ich bin eine Frau und außerdem bissig“ erhoben, die paar Einblicke, die sie mir aber doch gegeben hatte, ließen meine Augen öfter als einmal sehnsüchtig zur nächsten Luftschleuse auf der Normandy wandern. Ashley Williams war als Soldat ein Kettenhund, langweilte mich mit Nesthäkchen-Anekdoten von ihrer Bürstenkopp-Familie, feindete mehr als nur latent rassistisch gegen andere Crewmitglieder und zeigte einen verstörenden Mix aus fundamentaler Religiösität und der Fähigkeit, einen männlichen Shepard mit den Augen erst auszuziehen und dann seiner Unschuld zu berauben. Sie hat außerdem den Namen des Protagonisten von „Evil Dead“ erhalten, aber schlichtweg nicht verdient.

Nicht, dass Kaidan als Charakter eine prickelnde Alternative gewesen wäre, aber immerhin war er kein Arschgesicht. Er war genaugenommen überhaupt kein Gesicht. Kaidan Alenko hatte in etwa die Persönlichkeit eines gebrauchten Kleenex, und genau wie bei einem vollgerotzten Taschentuch sollte es bei ihm auf die inneren Werte ankommen, aber keiner will etwas davon wissen. Als Biotiker mit einem veralteten Implantat hatte der militärische Milchtoast mit schwerer Migräne zu kämpfen und als Kind eine harte Ausbildung mitgemacht. Wesentlich mehr kann ich schon nicht mehr über ihn sagen. Wenn ich mein Herz an einen Charakter verlieren soll, dann muss ich mich an mehr erinnern können als: Er hat einen Chip im Kopf, er wischt sich jedesmal die Stirn, wenn ich mit ihm rede, und er sieht aus, als ob er klebt.

Das wirklich tragische daran ist, dass es hier die perfekte Gelegenheit gab, mich vor tatsächlich schwere Entscheidungen zu stellen, man hätte einfach nur andere Crewmitglieder nehmen müssen: Garrus vs. Wrex, Tali vs. Liara, Navigator Pressley vs. der Typ, der mir meinen Kaffee Latte in die Kapitänskajüte bringt – alles wäre interessanter gewesen als die Frage „Der Öde oder das Biest?“

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