Egal, ob God of War, The Last of Us oder Yakuza 6: Vater-Kind-Beziehung werden ein immer beliebteres Motiv in Videospielen. Das liegt vor allem daran, dass inzwischen viele Gamer selbst Kinder haben. Was verändert das am eigenen Spiel-Verhalten?
Auch in unserem Podcast RUSH haben wir unter anderem über die Vater-Sohn-Beziehung in God of War gesprochen.
Kratos, der einstige Anti-Held, der blutige Rache an den griechischen Göttern nahm, wechselt in God of War nicht nur die Mythologie. Inzwischen ist er sichtlich gealtert, in der neuen Umgebung hat er offenbar erneut Liebe gefunden und einen Sohn: Atreus. Auch, wenn er diesem Anfangs nicht wirklich nahe steht, muss er sich mit Atreus auf eine lange Reise begeben.
Kratos wird damit vor Probleme gestellt, mit denen sich mittlerweile wohl ein Großteil der Spieler selbst konfrontiert sieht. Er muss Verantwortung für ein lebendiges Menschlein übernehmen. Ich habe mit zwei Vätern und einem Medienpädagogen, der ebenfalls Vater ist, über Väter in Spielen sowie wie über spielende Väter gesprochen. Von vornherein fällt auf: Zockende Väter geben die Faszination für Videospiele an ihren Nachwuchs weiter – und kommen damit ihren Kindern wesentlich näher als es ihre eigenen Eltern vermocht haben.
Väter in Spielen
André Dittrich, der schon bei diversen größeren Entwicklern Technical Lead und Lead Programmer war und inzwischen bei einem Games-Startup arbeitet, hat selbst zwei Kinder, einen Sohn und eine Tochter. Natürlich beeindrucken ihn an God of War die Grafik, das Gameplay und das Level-System. In erster Linie hat er sich God of War aber wegen der darin abgebildeten Vater-Sohn-Beziehung zugelegt.
Er will vor allem wissen, wie sich Kratos als Vater schlägt – und bemerkt nicht nur einmal, dass Kratos für seinen Geschmack viel zu negativ auf seinen Sohn reagiert. Ganz am Anfang will Atreus einen Hirsch erlegen, schießt aber daneben. Kratos wird deswegen sofort laut, schreit seinen Sohn regelrecht an. Nach kurzer Zeit merkt Kratos aber, dass er damit nicht weit kommen wird, und wird wieder leiser – eine Bestätigung für Dittrich. „Siehste, haste falsch gemacht, Kratos. So wird das nie was“, maßregelt André Dittrich den noch unerfahrenen, virtuellen Vater.
Kratos als eigener Spiegel
Auch André Jacobi, der als Vaduma auf Twitch streamt, spielt God of War vor allem wegen der Vater-Sohn-Beziehung: „Man hinterfragt sich dadurch auch selbst in manchen Situationen: Ist das richtig so? Mache ich das vielleicht auch? Wie kommt das rüber?“ Dass Kratos ein schlechter Vater ist, findet er aber nicht. Schließlich ist Kratos zu Beginn noch neu in seiner Rolle, muss sich erst einmal zurechtfinden. Dieselbe Erfahrung hat Jacobi gemacht, als er selbst Vater wurde.
„Mein Sohn ist nicht mein leiblicher Sohn, sondern quasi mein Stiefsohn, den ich mit zweieinhalb Jahren fertig bekommen habe, weil ihn meine Frau mit in die Beziehung gebracht hat. Deshalb habe ich mich sofort wiedergespiegelt gesehen. Du bekommst ein Kind, wirst hingestellt und sollst machen. Wie gehst du damit um?“
Auch bei den Stellen im Spiel, in denen sich das Duo in God of War durch Felsspalten zwängt, sieht sich Jacobi wieder: „Kratos guckt Atreus dann immer so an, nickt einmal und schickt seinen Junior vor. Nach dem Motto:‘ Hey, ich gebe dir Backup, ich bin da‘. Dieses stille Okay, das zeugt ja auch von Vertrauen.“
Technical Lead André Dittrich wiederum fühlt sich an sich selbst erinnert, wenn Kratos Atreus einen Vorsprung hinauf hieft, auf den er selbst noch nicht kommt. Trotzdem behält der Spieler Atreus ständig im Blick. Dazu hat Dittrich eine eigene Anekdote:
„Wir waren vor ein paar Jahren mal im All-Inclusive-Urlaub. Mein Sohn wollte sich dann etwas zu Trinken holen, er konnte da einfach hinlaufen und sich was holen, ohne zu zahlen. Meine Frau meinte dann: 'Ja, lass ihn doch mal!‘ Und das habe ich dann auch, aber ich bin trotzdem hinterher geschlichen, sodass er mich zwar nicht sehen konnte, ich aber ihn.“
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Spielende Väter
Sowohl André Dittrich als auch André Jacobi spielen aber nicht nur alleine Videospiele, beide zocken auch mit ihren Kindern. Natürlich nicht God of War, ist das Spiel doch viel zu brutal für die noch recht jungen Sprösslinge. Aber gerade Nintendo-Spiele wie Mario Kart oder Zelda: Breath of the Wild, aber auch Minecraft und Disney Infinity sind bei ihnen in der Familie hoch im Kurs.
Warum das gemeinsame Zocken überhaupt nicht schlecht, sondern vielmehr förderlich für die eigenen Kinder ist, weiß Medienpädagoge Jürgen Sleegers vom Projekt Spielraum der TH Köln. Er ist selbst Vater und hält Spiele für eine großartige Möglichkeit, noch mehr Nähe zum eigenen Kind aufzubauen, „es besser kennen zu lernen, mit ihm gemeinsam Zeit zu verbringen, zusammen ein Ziel zu erreichen oder sich im Wettkampf zu messen.“
Schließlich lernen uns Kinder oft als gestresste Wesen kennen, die arbeiten müssen und deshalb kaum Zeit haben. „Es ist doch total schön, wenn Kinder uns auch in dieser anderen Rolle kennen lernen, dass wir auch gerne spielen, dass wir auch Spielkinder sind.“ So vermitteln kooperative Spiele laut Sleegers dem Kind, dass es wichtig ist, auch wenn es klein ist, nur gemeinsam kommt die Familie weiter – im Spiel und auch im Leben. Aber auch solche Spiele, die nicht gemeinsam gespielt werden können und bei denen man sich abwechseln muss, geben wichtige Botschaften weiter. Sie sagen: „Ich stehe hinter dir, kommst du nicht weiter, helfe ich dir.“
„Wir lernen, gemeinsam zu fluchen, den anderen zu hassen in Kooperations-Spielen, aber sich dann auch wieder auf die Schulter zu klopfen und zu sagen ‚Woah, wir haben den Gegner besiegt, wir haben das Level geschafft.‘ Das ist etwas ganz großartiges, egal, ob es sich dabei um ein analoges oder digitales Spiel handelt.“
Von solchen Erfahrungen berichtet auch André Dittrich. Er konnte seinen Sohn Anfangs kaum mit Mario-Spielen alleine lassen, weil er noch nicht mit seinen Aggressionen umzugehen wusste, scheiterte er an einem Level. Inzwischen weiß sein Sohn jedoch, dass es nicht schlimm ist, zu scheiter: „Manchmal heißt das, dass er es sein lässt und erst einmal etwas anderes spielt, besser wird und später zurückkommt. Manchmal beißt er sich aber auch richtig fest – er will das Level dann schaffen.“
Beim Zocken ein Vorbild sein
Natürlich beinhalten Videospiele auch Gefahren. Das ist aber nicht den Spielen per se geschuldet, vielmehr vermitteln Eltern oft selbst den schlechten Umgang mit ihnen. So bekam Sleegers schon oft Anfragen von Eltern, die vor ihren Kleinkindern Call of Duty zockten oder ihren acht-jährigen Kindern Spiele gaben, die eigentlich erst ab 16 oder gar 18 Jahren geeignet sind.
Eltern haben eine Vorbild-Funktion für Kinder, deshalb sollte mit Spielen verantwortungsbewusst umgegangen werden. Das weiß auch André Dittrich. Er erzählt, dass seine Kinder am liebsten den ganzen Tag spielen würden. Deshalb reguliert er die Spielzeit seines Nachwuchses, schließlich sollen sie auch nach draußen gehen, beispielsweise Fußball spielen. Er fügt schmunzelnd hinzu, dass sein Sohn ihn dafür sicherlich hassen wird.
Gemeinsam auf der Couch lässt sich nicht nur mit Kindern, sondern inzwischen auch mit erwachsenen Freunden spielen. Diese Spiele sind perfekt dazu geeignet:
Von seinen Eltern hat Dittrich keine solche Beschränkungen auferlegt bekommen, auch mit Blick auf die Altersfreigabe. Schon in jungen Jahren hat er Doom und Quake gespielt. „Den Luxus wird mein Sohn nicht haben, schließlich kenne ich mich aus. Ich weiß, welche Spiele mein Sohn spielen darf und welche er nicht spielen sollte.“ Zockende Eltern gehen, wenn es um die Regulierung von Videospielen geht, also oftmals strenger mit ihrem Nachwuchs um – dafür sind die Regeln aber auch gezielter und nachvollziehbarer. Dadurch haben ihre Kinder die Chance, nicht nur Videospiele zu konsumieren, sondern auch zu verstehen und dadurch etwas zu lernen.