Leaks und Betas

Angekommen im Jahr 2016 war es erst einmal sehr ruhig um das Spiel. Was sollte Pokémon Go wirklich bewerkstelligen können? Ausgenommen von dem Ankündigungstrailer war die Decke an Informationen zum Jahreswechsel äußerst dünn. „Pokémon Go wird die grundlegendste Pokémon-Erfahrung bieten – als Kind nach draußen zu gehen und Pokémon zu finden.“ John Hanke versprach, dass man mit dem neuen Titel die Serie auf ihren Kern bringen werde und jedem Spieler die Möglichkeit geben will, vor der eigenen Haustür Pokémon zu finden – egal wo Du bist, in fünf Minuten findest Du ein Pokémon. Für genauere Details sollten die Spieler aber noch etwas warten. Genug Zeit sich darüber Gedanken zu machen, wie das Pokémon-Go-Spielen wohl wirklich wird:

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Ende März war es schließlich soweit und innerhalb etwa einer Woche ging es Schlag auf Schlag. Zunächst zeigte ein Leak einer internen Präsentation von dem SXSW Gaming-Festival erstmals Gameplayszenen des Spiels im Video und wenige Tage später erklärten Nintendo und Niantic schließlich genauere Details zum Gameplay von Pokémon Go. Am 31. März wurde der Titel im Beta-Test dann erstmals einer kleinen, exklusiven Spielerschaft präsentiert. Seit Anfang des Monats konnten japanische Pokémon-Fans sich für den Test anmelden und mit etwas Glück dran teilnehmen.

Das waren die ersten offiziell veröffentlichten Screenshots zu Pokémon GO.
Das waren die ersten offiziell veröffentlichten Screenshots zu Pokémon GO.

Die nächsten Monate verliefen nach einem ähnlich Muster. Nach und nach kamen mit Australien, Neuseeland und den USA neue Länder zu den Beta-Tests hinzu – nach und nach tauchten immer mehr Leaks zum Spiel auf. Von der Charaktererstellung, über Arenakämpfe bis hin zu dem einfachen Streifen durch die Nachbarschaft war schon Ende April ein Großteil aller Pokémon-Go-Features für aufmerksame Fans auch ohne Beta-Test bekannt.

Spannender als Zelda!

Im Juni fing es dann so langsam an zu brodeln. Im Rahmen der E3-Woche räumte Nintendo neben The Legend of Zelda: Breath of the Wild vor allen Dingen dem Mobilspiel Pokémon Go viel Zeit ein. Endlich gab es offizielle Informationen von Nintendo, endlich wurden ausgiebige Videos gezeigt und endlich durfte die Fachpresse das Spiel intensiv testen. Die ersten Fazits waren begeistert. Dass bereits Mitte Juni das amerikanische Forbes-Magazin „Pokémon Go wirkt aufregender als das neue Zelda“ titelte, war einer der ersten Vorboten des aufziehenden Hypes. Wie schnell die Taschenmonster dieses Mal die Welt erobern würden, war aber selbst wenige Tage vor dem Release nicht abzusehen – nicht einmal für die Entwickler.

Als Niantic am 30. Juni die Beta-Phase offiziell beendet, war klar, dass es jeden Moment so weit sein könnte – und dieser Moment kam äußerst schnell. Am Morgen des 06. Julis durften sowohl Android- als auch iOS-Nutzer endlich auf Pokémon-Jagd in den eigenen Straßen gehen – zumindest in Australien, Neuseeland und wenige Stunden später auch in den Vereinigten Staaten. Während sich die Information wie ein Lauffeuer durch die Fachpresse verbreitete, begannen auf der gesamten Welt findige Fans Wege zum Spiel zu suchen. iOS-Nutzer erstellten sich australische iTunes Accounts – Android-Nutzer zogen sich die APK-Dateien aus dem Netz und installierten Pokémon Go kurzerhand selbst. Auf das Spiel warten wollte keiner mehr.

Pokémon Go – Steh auf und Go – Announcement Trailer

Gleichzeitig dauerte es nur wenige Stunden vom ersten Release bis zu den ersten kuriosen Geschichten. Der australische „Northern Territory Police, Fire and Emergency Service“ meldete sich auf Facebook zu Wort, dass Spieler doch bitte weiter auf die Straße achten und für PokéStops oder Pokémon keine Polizeistationen betreten sollten – so zum Beispiel geschehen in Darwin. Geschichten wie diese sorgten dafür, dass sich auch in Deutschland nicht mehr nur die Fachpresse für Pokémon Go interessierte. Bereits am 07. Juli, immerhin eine Woche vor dem Deutschland-Release, berichteten Portale wie Spiegel, Bild oder Focus Online über den aufziehenden Hype, während auf Google die Klickzahlen für Installationsguides in die Höhe stiegen. Niantics Plan, nach und nach die einzelnen Regionen zu bedienen und so die Server nicht zu überfordern, war unter dem unglaublichen Ansturm komplett gescheitert.

Leichen, Raubzüge und Aktienkurse

„Wir dachten zwar, dass das Spiel beliebt sein werde, aber offenbar haben wir einen Nerv getroffen.“ John Hanke, der CEO von Niantic, wollte drei Tage nach dem offiziellen Start zwar keine genauen Zahlen nennen – die hausinternen Erwartungen wurden aber vervielfacht und die Veröffentlichung in weiteren Regionen musste daher zunächst ausgesetzt werden. Während amerikanische Spieler mit Login-Problemen und Server-Abstürzen zu kämpfen hatten, durften Europäer also weiter warten und sich an kuriosen Geschichten vergnügen.

So makaber es klingt – auch der Leichenfund eines amerikanischen Teenagers beim Pokémon-Go-Spielen half dem Spiel zum nötigen Presserummel. Die Mainstream-Medien berichteten über den Einfluss auf die Gesellschaft, über Pokémon Go als Lockmittel für Raubüberfalle und Nintendos Aktienkurse – fast jede Abteilung konnte sich an dieser App ihren ganz speziellen, spannenden Aufhänger suchen. Selbst die Website der Tagesschau berichtete bereits am 11. Juli über den großen Hype aus den USA. Wer sich den Titel noch nicht über Umwege geholt hatte, war so spätestens zum Deutschland-Start mehr als neugierig auf dieses internationale Phänomen.