Was bekommt man, wenn man ein Strategiespiel mit einer Schulsimulation kreuzt? Antwort: Fire Emblem Three Houses! Es unterscheidet sich enorm von vergangenen Ablegern der Serie. Aber machen die Änderungen Fire Emblem wirklich besser?
In den letzten Jahren versuchten viele Spieleserien sich neu zu erfinden. The Legend of Zelda bietet Spielern mit Breath of the Wild ungewohnte Freiheiten, die dystopische Fallout-Serie legt in Fallout 76 plötzlich den Fokus auf PvP in einer offenen Spielwelt und Assassin’s Creed glänzt seit Origins mit vielen Rollenspielelementen. Oft sind diese Veränderungen positiv, manchmal fallen sie aber auch eher unter die Kategorie Verschlimmbesserung.
Auch Fire Emblem hat sich mit Three Houses für die Nintendo Switch neu erfunden – und das beginnt schon beim Hauptcharakter. In der Vergangenheit war der Held von Beruf Krieger oder Magier, im am 26. Juli erscheinenden neuen Teil der Serie bist du jedoch … ein Lehrer.
Göttliche Pulse, Strategeme, Bataillone – nicht nur deine Rolle, auch das bisherige Spielprinzip wird ganz schön auf den Kopf gestellt. Wer Fire Emblem: Fates gespielt hat, erinnert sich vermutlich an die ausbaubare Festung, dem Zentrum des Spiels, zu dem du immer wieder zurückkommst. Three Houses baut diese Idee weiter aus und macht ein weitläufiges Kloster zu deiner Spielwiese; weniger anpassbar, aber wesentlich interessanter. Garreg Mach ist nicht nur das Machtzentrum der Kirche von Seiros, sondern auch eine Militärakademie für die Sprösslinge von Adligen und reichen Bürgerlichen des ganzen Kontinents.
Adler, Löwe und Hirsch
Der Schauplatz des Spiels ist das dreigeteilte Fódlan. Es besteht aus dem Heiligen Königreich Faerghus, dem Adrestianische Kaiserreich und der Leicester Allianz. Drei sehr unterschiedliche Gebiete, die sich ihre Religion und den eben erwähnten Ausbildungsort für ihren Nachwuchs teilen. Dort lernen sie Diplomatie, vermutlich auch rechnen und schreiben und, wie es sich für eine Militärakademie gehört, das Kämpfen. Durch eine Verkettung von Zufällen landen auch du und dein Söldnervater an diesem Ort und die Leiterin des Instituts, Erzbischöfin Rhea, zeigt sich so begeistert von dir, dass sie dich mal eben zum Professor ernennt.
Bevor du wirklich weißt, wie dir geschieht, stehst du vor einer sehr wichtigen Entscheidung: Gold, Blau oder Rot? Diese Farben stehen für die drei Häuser (Hogwarts lässt grüßen) und du hast die Wahl, ob du lieber der Klassenlehrer von Dimitris Löwen, Edelgards Adlern oder Claudes Hirschen sein willst. Sie alle haben eins gemeinsam: alle drei sind die zukünftigen Herrscher der drei Regionen Fódlans.
Deine Wahl bestimmt, mit wem du dein Abenteuer beginnst, die übrigen Schüler musst du erst von dir überzeugen, bevor sie bereit sind, mit dir in die Schlacht zu ziehen. Mit ihnen interagieren kannst du allerdings von Anfang an.
In den meisten Fire-Emblem-Spielen trittst du deine Reise mit einer kleinen Gruppe Verbündeter an und lernst mit der Zeit alle weitere Krieger kennen, die sich dir anschließen können. In Three Houses hingegen ist es durch die Einführung der Häuser ein bisschen so, als würdest du vor einem großen Buffet stehen, dürftest dich aber nur von einem Drittel bedienen.
Eine kleine Hilfestellung vor der Auswahl: Die Adler und Löwen sind sich recht ähnlich und bieten jeweils eine gute Mischung relativ normaler Charaktere, während die Hirsche ein etwas bunter zusammengewürfelter Haufen sind.
Auf ins ... Kloster?
Klingt jetzt schon alles ein bisschen anders, oder? Die Lehrer-Schüler-Dynamik ist sicher nicht jedermanns Sache und viele Situationen zwischen den Charakteren wirken ungewohnt pubertär für eine Serie, die eigentlich ein tendenziell älteres Publikum anspricht. Das eine oder andere Augenrollen lässt sich nur schwer vermeiden, wenn sich die Jugendlichen, nun ja, eben ihrem Alter entsprechend benehmen. Glücklicherweise gibt es auch paar Charaktere, die den Altersdurchschnitt deines Teams anheben können – beispielsweise die Bogenschützin Shamir. Wie schon bei den Schülern musst du dich natürlich auch bei den Erwachsenen erst einschmeicheln, bevor sie sich dir anschließen.
Erstmals kannst du mit deinem Protagonisten eine 3D-Umgebung relativ frei erkunden und dort Gespräche mit den anderen Klosterbewohnern führen. Was die ersten Male wirklich Spaß macht und wie ein großartiges Konzept klingt, hat aber auch ein Schwächen. Die langen Laufwege zwischen den Bereichen des Klosters werden schnell spürbar, wenn du von A nach B musst, um einen Liebesbrief zu überbringen und dann von B zu Z, weil dort ein anderer Questgeber auf dich wartet.
Zwar gibt es eine Schnellreisefunktion, aber auch die bringt dich nie genau ans Ziel. Und so kann ein Erkundungstrip schon mal fast eine Stunde dauern, was den Spielfluss deutlich verlangsamt. Einfach mit niemandem zu reden ist aber auch keine Option, denn nur so lässt sich die Handlung in Fire Emblem: Three Houses vorantreiben.
Ein weiterer Kritikpunkt: Zwar sieht die Spielwelt Handheld-Modus der Switch recht schick aus. Spätestens auf dem großen Bildschirm fallen aber einige Ecken und Kanten und die teilweise auch eher unschönen Hintergrundtexturen auf. Glücklicherweise haben die zuständigen Entwicklerstudios Intelligent Systems und Koei Tecmo bei den Charakteren ganze Arbeit geleistet. Deren bunter Anime-Stil macht jede Zwischensequenz zur Augenweide.
Wie die Kämpfe in Fire Emblem: Three Houses in Aktion aussehen, zeigt dir der folgende Trailer:
Wie kämpft es sich in Fódlan?
Vielleicht ist es dir schon aufgefallen: Die strategischen Kämpfe, die eigentlich das Aushängeschild der Serie sind, habe ich bisher kaum erwähnt. Und das hat einen Grund: vor allem in den ersten Spielstunden sind Schlachtfeldbesuche eher selten. Bei all den Unterrichtseinheiten, Chorproben und Klostererkundungen bleibt ja auch kaum Zeit für ein bisschen Gemetzel! Kämpfe finden anfangs immer nur am letzten Tag jedes Monats statt; denn ja, deine Spielfigur lebt strikt nach Kalender! Glücklicherweise nimmt die Frequenz später zu, aber ganz so oft wie beispielsweise in Fire Emblem: Awakening darfst du auch später nicht die Klingen kreuzen.
Genug über die Unterschiede gesprochen! Wie sieht es denn beim Thema Gemeinsamkeiten aus? Wie immer stellst du vor jedem Kampf dein Team zusammen und platzierst die gewählten Einheiten auf der in viele Quadrate eingeteilten Karte. Jede Figur kann sich pro Zug eine bestimmte Anzahl an Feldern weit fortbewegen und dann eine Aktion ausführen. Nachdem alle Charaktere einen Gegenstand eingesetzt, angegriffen, jemanden geheilt haben oder zum Warten verdonnert wurden, ist der Gegner an der Reihe.
Erstmals zeigt dir ein Fire-Emblem-Spiel an, wenn feindliche Einheiten angreifen und wie viel Schaden sie verursachen werden. Natürlich schützt diese Funktion vor bösen Überraschungen, aber es nimmt leider auch einiges an Spannung. Und dann lässt sich noch nicht einmal abschalten. Noch drastischer verändern die sogenannten göttlichen Pulse das Spielgeschehen. Dahinter steckt die Möglichkeit, mehrmals pro Kampf die Zeit zu einem beliebigen Punkt zurückzuspulen und sogar Tode ungeschehen zu machen. Die Serie ist berühmt-berüchtigt für ihren Permadeath-Modus, in dem das Ableben einer Figur endgültig ist. Die göttlichen Pulse nehmen dieser Herausforderung den Biss, machen sie dafür aber zugänglicher.
Alles so schön neu hier
Nicht nur grafisch hat das Kampfgeschehen einen großen Sprung gemacht, auch mechanisch hat es sich spürbar weiterentwickelt. Da wären zum Beispiel die sogenannten Strategeme – Aktionen, die du mit den ebenfalls neuen Bataillonen ausführen kannst. Weise diese Truppen einem Charakter zu und sie werden ihn nicht nur im Kampf unterstützen, sondern können auch eine ganze Gruppe von Gegnern gleichzeitig angreifen oder mehrere Verbündete auf einmal heilen.
Auch das Waffensystem hat einige Änderungen erfahren. Das bekannte Waffendreieck Schwert, Axt und Lanze existiert zwar noch, wurde aber abgeschwächt. Insgesamt gewinnen die Charaktere an Wichtigkeit, sei es durch erlernbare Spezialangriffe oder durch das neue Wappensystem. Bestimmte Blutlinien in Fódlan tragen Male am Körper, die ihnen besondere Fähigkeiten verleihen.
So viele Neuheiten und dann gibt es auch noch einige neue Gegnertypen, mit denen du es noch nie zu tun hattest: die sogenannten schwarzen Bestien. Diese Boss-Monster haben es in sich und besitzen meist mehr als einen Lebensbalken, den es auf Null zu senken gilt. Was es mit den Monstern genau auf sich hat, musst du aber selbst herausfinden.
Zu viel Freiheit macht Probleme
Das obersten Ziel mancher Fire-Emblem-Spiele ist es, die Charaktere am Leben zu halten, möglichst viel über sie herauszufinden und sie ihren Stärken und Schwächen nach zu trainieren. Spielfiguren hatten einen zumindest halbwegs vorgeschriebenen Lebensweg – die Betonung liegt auf hatten! In Three Houses kann die zerbrechliche Hilda zum Festungsritter werden oder der schüchterne Ignatz zum Kriegsmeister. Wo liegt das Problem? Den Charakteren fehlt Charakter. Sämtliche Figuren sind auf ihre Art charmant, aber gleichzeitig auch sehr formbar und wenn sie dann doch Interesse an einer Klasse zeigen, hast du dich vielleicht schon längst anders entschieden.
Du hast also enorm viel Macht. Entscheidest du dich für den normalen Schwierigkeitsgrad, kannst du dein Team theoretisch gleich zu Beginn heillos überleveln, weil dich niemand davon abhält, den gleichen Kampf wieder und wieder zu bestreiten. Die Klassenwahl deiner Mitkämpfer liegt im Endeffekt allein bei dir und auch wie du deinen Spielalltag verbringst, musst du ganz allein entscheiden. So viel Freiheit kann Spaß machen, aber ein bisschen mehr Führung hätte vermutlich niemandem weh getan. Machst du dir das Spiel unabsichtlich zu leicht oder zu schwer, beendest du es vielleicht nicht – und das wäre schade, denn Fire Emblem: Three Houses hat eine Menge zu bieten.
In Fire Emblem: Three Houses kannst du auch deine Amiibos einsetzen. Was Amiibos überhaupt sind:
Das nimmt ja gar kein Ende
Wenn du zu denjenigen gehörst, die Spiele gern aus mehreren Blickwinkeln erleben, dann bist du hier genau richtig. Die Wahl des Hauses ganz zu Anfang beeinflusst die Geschichte spürbar und sogar deinen Spielstil, denn die Schülergruppen haben alle unterschiedliche Stärken und Schwächen, die es zu meistern gilt. Du kannst natürlich auch einfach sehr viel Zeit mit nur einem Speicherstand verbringen und dort wirklich jeden Charakter und sämtliche Unterstützungsgespräche freischalten. Über den kostenpflichtigen Online-Dienst der Nintendo Switch kannst du deine Figuren sogar auf Schüleraustausch schicken, um so neue Fähigkeiten freizuschalten.
Und als wäre all das noch nicht genug, steht auch schon ein Season Pass in den Startlöchern. Neben der obligatorischen Kostüme erwarten dich damit zusätzliche Missionen, Gegenstände und sogar neue spielbare Charaktere, die bis April 2020 Stück für Stück freigeschaltet werden sollen. Du siehst also: Langeweile kommt so schnell garantiert keine auf – vorausgesetzt, du lässt dich auf dieses etwas andere Fire Emblem ein.
Fire Emblem: Three Houses – Mein Test-Fazit zum Spiel
Was diese großartige Spieleserie anbelangt, bin ich ein absoluter Spätzünder. Mit Fire Emblem: Awakening habe ich den großen Zeh ins Wasser gehalten, nur um prompt komplett abzutauchen und alle anderen Ableger nachzuholen. Fire Emblem ist für mich wie Schach auf drei Ebenen, während ich mit den einzelnen Figuren debattiere, was sie zu tun und lassen haben – anspruchsvolle Strategiespiele mit in Erinnerung bleibenden Charakteren. Three Houses ist anders – aber anders heißt nicht schlechter.
Ich glaube nicht, dass jeder Fan der Serie mit diesem Spiel glücklich wird, ganz im Gegenteil: Ich denke, der enorme Rollenspieleinschlag wird viele Veteranen sogar abschrecken. Als ich die Trailer gesehen habe, habe ich mir das alles auch etwas anders vorgestellt, vor allem der Schulalltag hätte für meinen Geschmack geringer ausfallen können. Aber ich bin der Meinung, man muss sich auf neue Ideen einlassen. Und dann kann sich das auch lohnen – wie im Fall von Fire Emblem: Three Houses.
Wird dir gefallen, wenn du Stragiespiele und Schulsimulationen gleichermaßen genießt und du schon immer mit deinen Spielfiguren Tee trinken wolltest.
Wird dir nicht gefallen, wenn dich maximal der Hauptcharakter eines Spiels interessiert und dir der Gedanke an Schule Albträume bereitet.
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Fire Emblem: Three Houses erscheint am 26. Juli 2019 für die Nintendo Switch. Wie stehst du zu der japanischen Strategiespiel-Reihe? Hast du die alten Teile genossen? Und freust du dich auch auf Fire Emblem: Three Houses – auch wenn es ganz schön anders ist als der Rest der Serie?