Apple und die Händler: Beziehungsprobleme (Kommentar)

Die leidige Frage: Kauft man ein soeben neu vorgestelltes Apple-Produkt lieber beim Hersteller oder beim Händler des Vertrauens? Die Entscheidung will gut überlegt sein, bestimmt dieser Punkt doch meist den Zeitpunkt der zu erwartenden Belieferung. Ins Hintertreffen geraten dabei vermehrt langjährige Apple-Händler und ihre Kunden – ein Versuch der Aufklärung.
Kritik an Apple ist berechtigt, doch sollte sie nicht derart plakativ und arglistig aufbereitet sein wie jüngst der berüchtigte Markencheck der ARD. Abseits billiger Polemik finden sich dagegen handfeste Problemfälle im Umfeld der polarisierenden Obstfirma. So thematisierten wir beispielsweise zuletzt die nicht vorhandene Nachhaltigkeit des App Stores und die zunehmende Verschlossenheit der aktuellen MacBooks. Heute richten wir den Blick auf die Vertriebspolitik Apples. Lieferschwierigkeiten sind – insbesondere bei neuen Apple-Produkten – nicht ungewöhnlich, erfahrenen Kunden ist die Problematik bewusst, ein Grundverständnis vorhanden.
Ein solches wird jedoch auf die harte Probe gestellt, wird dem Käufer gewahr, dass Apple seine Vertriebskanäle mit unterschiedlichen Prioritäten versieht. Dabei scheint der Direktvertrieb über den Apple Online Store und den hauseigenen Retail-Filialen im Vorteil. Der Händler vor Ort muss derweil die Kundschaft vertrösten und erhält von Apple auch keine verlässlichen Lieferinformationen – der Frust steigt unausweichlich vor und hinter der Ladentheke. Aktuell lässt sich dies sehr deutlich am Lieferzustand des iMacs beobachten. Abseits der steigenden Lieferschwierigkeiten sieht sich Apple zumindest im Stande, Direktkunden verbürgte Lieferzeiten für Neubestellungen mitzuteilen, ein Vorteil den die Händler so nicht haben.
Wie kommt es zu einer Ungleichbehandlung und wie wichtig ist Apple noch der indirekte Vertriebsweg?
Aufschlussreich: Der Apple-Handel in der Übersicht
Um dies annähernd zu verstehen, müssen wir zunächst die einzelnen Vertriebskanäle analysieren, denn Händler ist nicht gleich Händler. An unterster Stelle stehen die freien Händler, die in keiner direkten Geschäftsbeziehung zu Apple stehen – zum Beispiel MacTrade. Ware erhalten diese nicht direkt beim Hersteller sondern ausschließlich über von Apple autorisierten Distributoren (ComLine, Tech Data, Ingram Micro oder ALSO) oder sonstigen „grauen“ Bezugskanälen. In ihrer Geschäftspolitik sind diese Händler an keinerlei Vereinbarungen mit Apple gebunden, erhalten im Gegenzug allerdings auch keinerlei Sonderkonditionen. Ebenso liegt die Vermutung nahe, dass derartige Händler bei der Warenverteilung benachteiligt sind. Bei unserem genannten Beispiel MacTrade sei jedoch erwähnt, dass eine Verquickung mit dem Premium-Reseller-Geschäft von compuStore nicht gänzlich ausgeschlossen scheint – beide Firmen teilen sich eine identische Geschäftsführung in Persona.
Hierzu ein Beispiel: Kündigt Apple die Verfügbarkeit des neuen iPads zu einem bestimmten Termin an, ist es dem Händler untersagt, besagtes Modell vorher anzubieten. Das Recht einer Vorbestellung behält Apple allein für sich – dem Händler bleibt nur übrig, dies stillschweigend zu akzeptieren und allein Interessensbekundungen der Kunden zu sammeln, aber keine Aufträge. Im Gegenzug erhalten autorisierte Händler bessere Einkaufskonditionen, gestaffelt nach diversen Qualifizierungspunkten (vorhandene Ladengeschäfte, Schulung des Personals, ASP etc.) und werden unter gewissen Umständen vielleicht auch eher beliefert.
Autorisierte Händler und Apple Premium Reseller werden direkt von Apple Deutschland betreut und gelten allgemein als Fachhändler. Daneben existiert noch die Retail-Sparte (Flächenmarkt) – zum Beispiel Gravis.
Von der Einflussnahme Apple Deutschlands ausgenommen sind der Apple Online Store und die Apple Ladengeschäfte. Verantwortlich für das Onlinegeschäft zeichnet die Apple Distribution International in Irland. Gleichwohl beziehen aber auch die Händler ihre Ware direkt von der irischen Insel oder aber über die Distribution in Deutschland – verrechnet wird im Anschluss zwischen der Apple Deutschland GmbH und der Apple Distribution International. Die Ladengeschäfte Apples werden ferner in der Apple Retail Germany GmbH, ansässig in Frankfurt, zusammengefasst – eine „Briefkastenfirma“ unter amerikanischer Geschäftsführung.
Apple vs. Apple: Händler verlieren
Faktisch bedeutet dies: Der Fachhandel vertreten durch die Apple Deutschland GmbH steht in unmittelbarer, firmeninterner Konkurrenz zum Apple Online Store und der Apple Retail Germany GmbH. Die konkrete Warenverteilung wird von „höherer Stelle“ vorgenommen, der Einfluss des Handels ist dementsprechend begrenzt, der Verteilerschlüssel nicht wirklich transparent. Der Handel sieht sich deswegen seit geraumer Zeit mit allerlei Problematiken konfrontiert, die wir hier auflisten möchten:
- Benachteiligung bei Belieferungen neuer, stark nachgefragter Apple-Produkte – bevorzugt wird Apples Direktvertrieb.
- Im Gegensatz zum normalen Endkunden im Direktvertrieb erhalten Händler im Vorfeld keine genauen Informationen zum etwaigen Lieferzeitpunkt und der Liefermenge. Diese Angaben erhalten die Händler meist erst dann, wenn die Geräte schon unterwegs sind. Eine transparente Vorabinformation der Kunden des Händlers ist so fast ausgeschlossen.
- Nicht alle Produkte darf/kann der Fachhandel anbieten. So ist der Vertrieb vertragsfreier iPhones allein Apple selbst vorbehalten. Händler (nicht Premium Reseller) können erst später vertragsfreie Geräte über die nicht autorisierte Distribution (Graumarkt) beziehen.
Besonders leiden unter dieser Problematik dem Vernehmen nach zunehmend die „Apple Premium Reseller“. Diese haben sich auf Gedeih und Verderb Apple verschrieben und fühlen sich immer öfter im Stich gelassen. Einst galten sie als verlängerter Arm der Apple Stores, heute finden sie sich aufgrund der nicht wegzudiskutierenden Vorwürfe degradiert, sind Händler zweiter Klasse.
Auch für den Kunden ist die Situation verwirrend. Letztlich ist es ehrenwert, die heimische Händlerlandschaft zu unterstützen. Aktuell gelingt dies jedoch nur mit viel Geduld. Möchte man diverse Apple-Produkte pünktlich erhalten, bleibt anfangs meist nur die Bestellung direkt bei Apple als einzige Option übrig, der Händler geht trotz eines Preisvorteils leer aus. Für Apple eine perfide Win-Win-Situation, denn die höheren Margen winken im Direktvertrieb.
Doch kann oder will Apple zukünftig auf den indirekten Vertrieb verzichten?
Fazit: Unverzichtbar für Apple
Klare Antwort: Nein, Apple kann es sich schlichtweg nicht leisten. Die hohe Nachfrage nach iPhone, iPad und Co. mag beeindrucken, die Produkte verkaufen sich scheinbar von selbst – wer braucht da noch den Handel? Man sollte aber nicht vergessen: Entschieden wird die Verkaufsschlacht nicht kurz nach Marktstart, ein guter Sprint ist keineswegs eine Garantie für einen finalen Zieleinlauf. Letztlich müssen sich die Geräte über die gesamte Laufzeit konstant gut verkaufen. Der Direktvertrieb mag den Anfangs-Hype auffangen, über die Ziellinie trägt jedoch der Handel die Produkte. Kurzum: Apple ist auf die größere Reichweite des Handels beim mittel- und langfristigen Absatz noch immer angewiesen, spätestens dann, wenn die Ware in ausreichender Menge vorhanden ist und der Direktvertrieb an Absatzgeschwindigkeit einbüßt.
Es wäre wünschenswert, man würde bei Apple sich dessen wieder stärker bewusst werden. Lange Lieferfristen und intransparente Informationspolitik verärgern nicht nur Händler, auch Kunden sind frustriert und verärgert. Kunden, die sich bewusst für ein Produkt aus dem Hause Apple entschieden, „dummerweise“ jedoch dem lokalen Händler den Vorzug gaben. Wenn schon eine gleichmäßige Warenverteilung zwischen direkten und indirekten Vertrieb zum Markstart unmöglich scheint, verlässliche Lieferinformationen für Händler und Kunden gehören zum unverzichtbaren Pflichtprogramm.
Anmerkung: In der Zeit von 1999 bis 2012 bekleidete der Autor die Posten eines Produktmanagers und Projektleiters bei der Cyberport GmbH. Mit einem Jahresumsatz von 538,3 Millionen Euro im Jahr 2012 gehört der Dresdner Multichannel-Händler zu den Schwergewichten im europäischen Onlinehandel.
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