Jeder kennt ihn: Diesen Blick der voller Bedauern und Mitleid ist, wenn mal wieder deutlich wird, dass einem jegliches Talent fehlt. Oder dieses Gefühl, wenn der eigene Name der Letzte ist, der bei der Team-Zusammenstellung gerufen wird. Jeder kennt das Gefühl, ein Bisasam zu sein. Wir sprachen mit dem unbeliebtesten Starter-Pokémon der ersten Generation.
Dieser Text ist ein Text. Aber vielleicht meinen wir ihn nicht ganz ernst.
Schlusslicht, Nachzügler, der Erste von hinten – all das beschreibt nur etwas, für das es eigentlich keine netten Worte gibt. Es beschreibt das, was Bisasam, seineszeichens Pokémon des Typs Pflanze der ersten Starter-Generation, ist. Denn die grüne Kröte mit der Knolle auf dem Rücken gilt im Allgemeinen als das unbeliebteste Starter-Pokémon. Oder kennst du jemanden, der statt eines feurigen und süßen Glumandas oder eines extrem coolen Shiggys wirklich...nun ja... DAS genommen hat? Eben.
Die Gründe für die Missgunst gegenüber dieses Wesens können vielfältig sein. Sei es die Tatsache, dass Bisasam im Laufe seiner Entwicklung einfach nur älter wird – wie wir hier schon ausführten – oder auch sonst einen ziemlich deterministischen Charakter hat und einfach vehement an der einzigen Eigenschaft festhält, die es wirklich perfektioniert hat: Langeweile. Doch wir wollen alle Spekulationen und wissenschaftliche Forschungen ignorieren und zum wahren Kern des Problems vordringen. Was hilft da besser, als sich einfach mal mit Bisasam zu unterhalten? Genau das konnten wir auch tun. Am Rande der E3 in Los Angeles. in einer schummrigen, schlecht besuchten Kneipe, versteckt im hohen Gras (Vorsicht vor wilden Pokémon!) trafen wir uns zum Interview.
Das Licht der kalifornischen Sonne durchbricht die staubige Luft. In den Ecken stehen Digda (oder Digdri?), ein Machomei stellt eines seiner vier Gläser ab und Webarak spinnen die schönsten Netze, in einem hat sich ein Raupy verfangen. In all dieser Tristesse und Unfreundlichkeit entdecken wir Bisasam. Es sitzt an der Theke, vor ihm stehen mehrere leere Gläser. Wortlos und mit leicht glasigen Augen registriert uns das Pokémon. Nach gefühlten Minuten macht es ohne ein Wort klar, dass wir ihm folgen sollen. Es geht in einen Hinterraum, der erstaunlich aufgeräumt ist.
Wir nehmen auf der durchgesessenen Couch Platz und beobachten das Pokémon, wie es ein Fenster öffnet. Da unsere Augen sich schon an die Dunkelheit gewöhnt hatten blendet uns das warme Licht. In der Ferne ist das Treiben der Stadt zu hören. Die Messe ist in vollem Gange: Nerds, Geeks und Journalisten sind unterwegs.
GIGA GAMES: Danke, dass du dir Zeit für uns genommen hast. Du bist ja sicher sehr beschäftigt.
Bisasam: ...
GG: Wir haben um dieses Interview gebeten, weil ja erst vor kurzem von Nintendo angekündigt wurde, dass Pokémon nun auch auf die Switch kommen sollen. Ein neues zu Hause quasi, für all die entdeckten und unentdeckten Wesen. Daher wollten wir uns bei dir erkundigen, wie es dir so geht? Immerhin warst du ja eines der ersten Starter-Pokémon. Und ja, natürlich wollen wir auch gern herausfinden, wie es sich mit so großer und weitaus beliebterer Konkurrenz wie Glumanda oder Schiggy lebt?
B: ...
Die Minuten verstreichen, wie der klebrige Honig eines Wadribie. Nach einer gefühlten Ewigkeit kramt Bisasam in einer Kiste und zündet sich eine Zigarette an. Es bläst den Rauch in die Luft und macht sie so noch etwas abgestandener. In der Kiste fand es neben den Kippen auch Fotos...
B: Nu, weeßte, ich will ma gans ährlich sein. N boor ma wollte ich mich schon och selbst abmurksen.
(Oh mein Gott. Bisasam ist Sachse?)
Abor aus der Phase bin'sch ja nun och schon raus. Abor weeßte, so eenfach is‘ das alles ja nich.
GG: Worauf genau bezieht sich diese Aussage?
B: Nu, gucke ma, mir alle waren ja och noch ziemlich jung. Mir waren unerfahren und keener hatte so rischtisch 'n Blan, was da bassieren soll. Mir wurdn gefragt, ob mir Bock auf so ne Nummor habn, weeste? Und dann ham mir den Verdrag halt unnerschriebn und dann gings och schon los. Und blötzlich wird uns allen kloar, mir sind gor nich alle gleich.
Bisasam legt die Fotos auf den Tisch. Sie zeigen Pokémon unterschiedlichster Art. Glumanda und Schiggy, Bisasam steht daneben, im Vordergrund Pikachu – das Maskottchen der Reihe. Je intensiver wir die Bilder betrachten, desto deutlicher wird, was Bisasam sagen möchte...
B: Weeßte, uns ham'se gesacht, mir alle habn gleiches Recht. Mir alle werden ganz groß rauskommn. Abor das war halt alles unfuch. Der einziche der wirklich groß rauskam wor Peter-Christian – ihr alle gennt den nur als Pikachu. Abor nun weeßte och, wo der Name herkommt: Peter-Chrsitian = PikaCHu.
Und als mir das realisiert ham, da binsch in son Loch gefallen. Des ham die da oben natürlisch och gemerkt. Und dann ham se eben eher off die andern zwei zurückgegriffen, aufn Gustav und'n Siegmund. Und die ham dann ebn mehr gemacht und wurdn mehr von den Geldsäckn obn gebusht.
GG: Du möchtest damit also sagen, es ist alles eine Art Teufelskreis?
B: Nu, genau. Weeßte, wenn de da erstma in son'em Loch bist un‘ dann gommt noch hinzu, dass die Fans dich nur so semi-geil finden, dann wird das ja nur schlimmer. Und mir hat ja och geener geholfn. Die warn ja och alle mit sich beschäftigt. Gonnt ja Geener ahnen, dass das so 'ne Riesennummor wird. Und nun ham mir den salad und dabei ess isch liebor kleene Fliegen. Weeßte, die Verdräge, nu, das sin‘ nämlisch Lebenszeit-Dingor.
GG: Du bist also solange, wie es die Reihe gibt, an Deine Rolle als Bisasam gebunden?
B: Nu, genau. Mir ham das ja alles nicht rischtisch angeschaut damals. Mir dachten halt, nu, das wird schon bassen. Nu sitzen mir da un müssen den ganzen Kram machen. Hattest Du schon ma‘ n Baumstamm aufm Rücken? Weeßte, isch verrat Dir jetzt was. Die ganzen Entwicklungen un so, das is alles Unfuch. Mir sind einfach nur mir und mir müssen immer in die Gostüme. Isch hab einfach nur ne Knolle uffm Rücken, die wird nie offblühen, das gab's noch nie in meinor oder ner andern Familie. Und Gustav hat schon Rücken von den riesigen Flügeln. Weeßte, manschmal, da sin mir gurz vorm zammbrechen.
GG: Bekommst du keinen Ärger, wenn du einfach so darünber sprichst?
B: Ach weeßte, des is mir doch egal. Solln se misch doch nauswerfn aus der Reihe. Da binsch ma gespannt, was dann los is. Weeßte, is der Vordeil, wenn man schon so lange dorbei ist.
Bisasam drückt den dritten Zigaretten-Stummel auf der Tischplatte aus.
B: Abor du hast recht, mir sollten nicht mehr mitnander redn. Isch weeß och nich, was isch mir gedachd hab, als isch gesacht hab, nu, gommt vorbei. Weeßte, isch geb hald normalerweise geene Interviews.
(Warum nur?)
GG: Das verstehen wir. Du hast uns einen kleinen Einblick in deine Welt gegeben, das ist schon mehr, als wir uns jemals erhofften. Wir werden dann jetzt einfach aufbrechen...
B: Nu glar, lasst misch hald och alleen..
GG: Aber du hast doch gerade gesagt, ....
B: Isch weeß schon selbst was isch sach un was nich. Nun naus mit euch. Isch muss noch'n Dext lernen...
GG: Okay. Danke für Deine Zeit.
Wir verlassen den Raum wieder in Richtung Kneipe, als wir durch die Tür sind, ist die Luft genauso schlecht wie zuvor, der Raum ist in trübe Düsternis getaucht. Machomei lehnt dösend an der Wand und die Webarak sind mitsamt dem Raupy verschwunden. Nur dumpf dringt der Lärm der Stadt an diesen Ort. Und leise hören wir das Pokémon aus dem hinteren Raum: Bisa! Bisabisa? Bisasam...