Musik gehört zum Leben. In Australien haben Künstler und Wissenschaftler nun eine Grenzerfahrung daraus gemacht und einen Toten weiterleben lassen.
Revivification: Kunst trifft Wissenschaft
Wenn Kunst und Wissenschaft aufeinandertreffen, spricht man von Revivification. Wie dies im Extremfall aussehen kann, ist derzeit in der Art Gallery of Western Australia in Perth zu sehen, oder besser zu hören. Noch bis zum 3. August könnt ihr euch in die Welt von Klangpionier Alvin Lucier entführen lassen und ein Vermächtnis der besonderen Art erleben.
Der US-Amerikaner hat sich zu Lebzeiten mit dem menschlichen Körper und seiner Rolle bei der Produktion von Musik befasst. Schon 1965 machte Lucier mit „Musik For A Solo Performer“ von sich reden und demonstrierte, wie sich Gehirnwellen in Musik verwandeln lassen.
Seit 2018 war Alvin Lucier in das Revivification-Projekt der University of Western Australia involviert. Dort profilieren sich Neurowissenschaftler und Künstler als Grenzgänger biologischer Kunst. Als Lucier 2020 von Parkinson gezeichnet war, überließ er seine weißen Blutkörperchen dem Projekt. Diese wurden in Stammzellen umprogrammiert und begannen, als eine Art Mini-Gehirn ein Eigenleben zu führen.
Musik hat überlebt – Geniestreich oder Wahnsinn?
Alvin Lucier verstarb im Jahr 2021 im Alter von 90 Jahren. Doch die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Luciers „In-vitro-Gehirn“ lebt weiter. Es ist in der Präsentation in einen Inkubator eingeschlossen. Diesen umgeben 20 gebogene Platten aus Messing. Jede Platte besitzt eine Verbindung zum Mini-Gehirn. Aktuatoren dienen der Signalverstärkung. Die Signalwellen treffen auf die Metallplatten und der Raum wird mit Klang erfüllt.
Luciers Tochter Amanda soll das Projekt mit einem Lächeln kommentiert haben. „Das ist typisch für meinen Vater. Kurz vor seinem Tod hat er veranlasst, dass er für immer weiterspielen kann.“ (Quelle: Guardian)
Nathan Thompson vom Revivification-Team ergänzt gegenüber dem Guardian: „Revivification ist mehr als eine Hommage an Alvin Lucier. Uns ist es gelungen, sein zelluläres Leben zu verlängern und die Unsterblichkeit des Künstlers völlig neu zu interpretieren.“
Diese Bilderstrecke verrät euch, was in den 1990ern in der Musikwelt für Furore sorgte:
Fragen ohne Antworten
Das Projekt bleibt nicht ohne Fragen. Diese berühren philosophische wie ethische Aspekte. Es geht um Biologie, um KI und um die Rolle des Urhebers. Für die Beteiligten bleibt Revivification vorrangig Kunst. Antworten zu liefern, sei nicht das Ziel. Vielmehr sollen Gespräche angestoßen und Steine ins Rollen gebracht werden. Dies dürfte mehr als gelungen sein.