Alone in the Dark ist weder Remaster noch Remake. Dieses Survival-Horror-Spiel ist eine Neuinterpretation des 32 Jahre alten Originals. Selber Schauplatz, selbe Charaktere, selbes Story-Grundgerüst mit Abweichungen. Leider aber auch mit hakeligen Kämpfen und nervigen Rätseln. Und vor allem der wichtigste Aspekt kommt im Survival-Horror-Spiel viel zu kurz. Wir haben die PS5-Version getestet.
Zwei Hollywood-Stars sind die spielbaren Charaktere
Das Original von Alone in the Dark ist ein Klassiker. Es hat im 3D-Bereich die Vorarbeit für viele weitere Survival-Horror-Spiele geleistet. Ob für Resident Evil, Silent Hill oder Dead Space.
Bedauerlicherweise hat kein weiteres Spiel im Universum von Alone in the Dark den Meilenstein-Status des Originals von 1992 erreicht. An diesem Fakt ändert auch das zeitgemäße Alone in the Dark aus 2024 wenig. So viel schonmal vorweg.
Während der Introsequenz führt euch das Spiel von Hersteller THQ Nordic und Entwickler Pieces Interactive in die Geschichte ein. In einem Auto der 1920er-Jahre fahrt ihr zu zweit durch eine ländliche Region in Louisiana.
Die entsprechende Szene – und einige weitere Sequenzen – könnt ihr euch im offiziellen Release-Trailer anschauen:
Am Steuer sitzt der Privatdetektiv Edward Carnby. Daneben seine Klientin Emily Hartwood. Der vorgetragene Dialog ist zwar sperrig geschrieben, aber die ihn verkörpernden Schauspieler David Harbour (Stranger Things) und Jodie Comer (Fernsehserie Killing Eve) unterhalten euch durch ihre Darbietungen. Das gilt für die englische Originalvertonung und auch die deutsche Synchronfassung.
Nur eine Story für zwei Charaktere
Ihr seid auf dem Weg zu einem abgelegenen Anwesen namens Derceto Manor, um Emilys verschwundenen Onkel Jeremy aufzuspüren. Dort angekommen, habt ihr wie im Original die Wahl, ob ihr lieber den Detektiv oder die Nichte steuern möchtet.
Wenn ihr nacheinander beide Charaktere spielt, bleibt Enttäuschung zurück. Ein paar Zwischensequenzen unterscheiden sich marginal. Alle Charaktere behandeln Emily warmherziger als Edward. Aber alles andere ist identisch, auch das Ende.
Pro Charakter gibt es jedoch einzigartige Nebenmissionen. Mit Edward durchlebt ihr eine vergangene Ermittlung. Mit Emily müsst ihr eine in die Länge gezogene Schleichpassage absolvieren, in der ihr frustrierend viele Tode sterben könnt.
Zurück zum von außen verlassen wirkenden Schauplatz. Dieser ist im Inneren nichts anderes als eine psychische Anstalt, in der ihr – während der Story vorantreibenden Zwischensequenzen – auf die bizarren Einwohner und das mysteriöse Pflegepersonal trefft.
Spätestens dann, wenn sich vor euren Augen oder hinter einem Rücken ganze Räume in neblige Gassen oder eine Sumpflandschaft voller Gegner verwandeln, ist euch alles klar. Hier geht es um paranormale Aktivitäten. Dass das Spiel mit der Grenze zwischen Wirklichkeit und Einbildung experimentiert, ist eine Stärke.
Hier unterscheidet sich die Neuinterpretation vom Original
Die imposante Anstalt Derceto Manor erkundet ihr ausgiebig im Spielverlauf. Raum für Raum. Etage für Etage. Sie ist der zentrale Schauplatz für zahlreiche Storyereignisse. Doch der wortwörtliche Gamechanger ist ein verzauberter Talisman.
Mit dem dreiteiligen Goldschmuck könnt ihr als Emily oder Edward die Grenzen des Anwesens verlassen und temporär in Traumwelten reisen, um Stück für Stück das Verschwinden von Jeremy nachzuvollziehen.
Diese Traumwelten entstammen Jeremys Erinnerungen und sorgen für visuelle Abwechslung. Mal findet ihr euch in einer Bibliothek neben einem terracottafarbenen Innenhof wieder. Dort müsst ihr dem von Jeremy gefürchteten Schattenmann entkommen.
Ein anderes Mal fühlt ihr euch wie Indiana Jones in einer unterirdischen Tempelanlage in Ägypten. Hier gilt es in einem Rätsel eintreffendes Licht mit speziellen Linsen zu reflektieren und euch damit verschlossene Türen zu öffnen.
Obwohl die Abwechslung willkommen ist, erreichen diese Szenen nicht das Niveau der unheimlichen und furchteinflößenden Umgebungsverwandlungen eines Alan Wake 2 (Test).
Rätselraten im Überfluss
Die Rätsel von Alone in the Dark nehmen einen großen Teil der Spielzeit ein. Ohne diese Passagen würde sich die Dauer von sechs Stunden pro Charakter auf dem mittleren Schwierigkeitsgrad auf ungefähr zwei Stunden verkürzen.
Größtenteils erwarten euch klassische Rätsel. Ihr müsst Schlüssel finden oder verschlossene Truhen mit der passenden Kombination öffnen. Es gibt auch weitaus aufwändigere Rätseleinlagen, die sich über mehrere Räume erstrecken und nur mit Informationen aus gefundenen Schriftstücken oder Büchern zu lösen sind.
Wo es euch anfangs noch Spaß macht, ein Rätsel zu lösen, schleicht sich auf Dauer ein Problem ein: viele Rätsel nerven, weil sie nicht herausfordernd, sondern nur zeitfressend sind. Darunter leidet das Pacing des Spiels.
An einigen Stellen bleibt auch unklar, was das Spiel oder die Entwickler von euch möchten. Im auswählbaren Old-School-Modus erhaltet ihr keinerlei Hinweise oder seht hervorgehobene Gegenstände. Für alle Hilfesuchenden lässt sich der Modern-Modus einstellen, der euch mehr Hilfestellungen in Form von Texteinblendungen gibt. Aber auch dieser verhindert nicht zu jederzeit, dass ihr ab und zu feststeckt und nicht weiterkommt.
Ein Spiel für Liebhaber von Türen und Schlüsseln
Auch der Spielablauf ist nicht innovativ. Häufig verwendet ihr die Karte, um euch selbst den Weg zum nächsten Ziel zu suchen. Weil ihr auf der Karte als weißer Punkt ohne Blickrichtung zu sehen seid, verlauft ihr euch häufig. Zu häufig. Das nervt!
Zusätzlich hindern euch am Erkunden der Anstalt verschlossene oder mit Keilen versperrte Türen, auf die ihr im Minutentakt trefft. Auch das nervt! Irgendwann überhört ihr automatisch die Aussage eures Charakters, dass ihr für die Tür einen Schlüssel benötigt.
Zwischen den Rätsel- und Story-Passagen enttäuschen die Auseinandersetzungen mit den Gegnern. Und das auf mehreren Ebenen. Die Gegnervielfalt wechselt zwischen einem menschenähnlichen Körperbau aus Baumrinde und Ästen, einem Alien-Skelett mit langen Beinen, einer Art Raubfisch in Sumpflandschaften oder übergroßen Fledermäusen.
Dazu pendeln die Schleichpassagen zwischen langweilig einfach und unmöglich schwer. Das Ergebnis von Letzterem sind Situationen, in denen alle Gegner im Gebiet auf euch zustürmen. Auch das macht aufgrund des hakeligen Gunplays und des nicht spürbaren Trefferfeedbacks wenig Spaß.
Jede Nahkampfwaffe zersplittert
Die Waffenvielfalt hat ihren Namen nicht verdient. Ihr feuert eine Pistole, eine Schrotflinte oder ein Maschinengewehr ab. Später im Spiel benutzt ihr temporär noch eine Leuchtpistole. Das wars.
Auch wenn das Spiel mit alten Mechaniken des Originals kokettiert, könnt ihr bei dieser Waffenarmut ein strategisches Vorgehen bei Kämpfen abhaken. Ihr ballert einfach um euch, bis sich nichts mehr rührt. Was eine Bereicherung gewesen wäre: ein Upgrade-System für Waffen oder unterschiedliche Munitionsarten.
Dafür gibt es Nahkampfwaffen. Rostige Rohre, eine Spitzhacke oder einen Hammer. Alle steuern sich gleich. Alle steuern sich schlecht. Denn die Animationen in Nahkämpfen sehen ungelenk und abgehackt aus. Sie fühlen sich auch so an.
Das Schlimmste ist aber, dass die Nahkampfwaffen nach ungefähr fünf Schlägen einfach in euren Händen zu Splittern zerfallen. Dann müsst ihr Ersatz suchen. Denn tragen könnt ihr nur eine davon.
Alone in the Dark bietet zu wenig Horror
Bis auf vereinzelte Jump-Scares hat dieses Survival-Horror-Spiel wenig mit Survival-Horror zu tun. Kein Gegner ist angsteinflößend. Nichts erzeugt großes Unbehagen in euch. Die Musik ist zwar stellenweise bedrohlich, mehr aber auch nicht. Die Soundeffekte von sich schließenden Türen oder bröckelnden Steinen sind hier die Höhepunkte.
Optisch enttäuschen die zu starren Gesichter der Charaktere. Ansonsten haben die Entwickler alle Bereiche mit vielen Details versehen, dauerhaft ruckelfrei läuft das Spiel aber selbst im Performance-Modus nicht.
Zusätzlich bleibt ihr mit eurem Charakter manchmal an Objekten hängen und könnt euch nicht mehr bewegen. Oder die Kamera zoomt dauerhaft extrem nah an euch heran. In beiden Fällen hilft nur ein Reload.
Alone in the Dark ist bereits erhältlich für PC, PS5 und Xbox Series X|S.
Test-Fazit
Alone in the Dark hätte in meinen Augen so viel besser sein können. Auf nahezu jeder Ebene rücken bei diesem Survival-Horror-Spiel die eigenen Stärken in den Hintergrund. Obwohl die Darbietungen zweier Hollywood-Schauspieler sehenswert sind, sind es die geschriebenen Dialoge weniger.
Obwohl die abwechslungsreichen Talisman-Level mit sich plötzlich verändernden Räumen und viel visueller Abwechslung glänzen, folgt ein zeitraubendes Langeweile-Rätsel und hakelige Kämpfe gegen austauschbare Gegner.
Dazu kommt, dass die Stories der zwei spielbaren Charaktere nahezu identisch sind. Sogar das Ende. Da bietet Alan Wake 2 einen geschickteren Ansatz mit zwei verwobenen, aber doch unterschiedlichen Handlungssträngen.
Was mich jedoch am meisten überrascht hat, ist der fehlende Gruselfaktor. Bis auf wenige Jump-Scares hat mich das Spiel auf dieser Ebene kalt gelassen. Für ein Horror-Spiel ist erschreckend wenig Horror vorhanden.
Durch die in Zwischensequenzen vorkommende Jazzmusik, die kryptischen Dialoge mit den bizarren Bewohnern der Anstalt und die Story als solches, entsteht auch mal unfreiwillige Komik. In diesen Momenten weiß ich nicht, ob die Entwickler meine Lacher tatsächlich so beabsichtigt haben.
Wertung
“Alone in the Dark bietet dieselbe solide Story für zwei spielbare Charaktere an. Die Rätsel sind einfach bis langatmig, die Kämpfe hakelig und Horror-Atmosphäre ist kaum vorhanden.”