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„In Deutschland muss man sich Vertrauen erarbeiten“: Nothing-Chef Carl Pei im GIGA-Interview

Nothing-CEO Carl Pei im Interview Abonniere uns
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Nothing ist ein aufstrebender Hersteller für Smartphones und Kopfhörer, die sich über ihr Design auszeichnen. Gründer Carl Pei ist aber kein unbeschriebenes Blatt in der Smartphone-Branche: Schon 2013 hob er, zusammen mit Pete Lau, OnePlus als virale Smartphone-Marke aus der Taufe – und etablierte sie umgehend bei Android-Enthusiasten. Am Rande des MWC 2023 konnten wir mit ihm sprechen – über Nothings Design-Ansatz, den deutschen Markt, Nachhaltigkeit und transparente Autos.

GIGA: Carl, danke, dass du heute hier bist. Meine erste Frage ist eine offensichtliche: Was können wir von Nothing 2023 erwarten? Das Nothing Phone (2) ist ja kein Geheimnis mehr, aber was kommt in Sachen Leistung und Software?

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Carl Pei: Ich glaube, dieses Jahr steht bei uns im Zeichen des „Reifeprozesses“. Es ist das dritte Jahr unserer Firma. Im ersten mussten wir mit den Ear (1) beweisen, dass wir an die notwendigen Ressourcen herankommen, um das Nothing Phone (1) liefern zu können. Als wir das Phone (1) rausgebracht haben, bauten wir gleichzeitig ein Team und die Firma auf.

Vom Beginn des Phone-(1)-Projekts bis zum Ende hin hat sich unser Team massiv vergrößert. Für neue Entwickler dauert es natürlich einige Monate, um in den notwendigen Rhythmus hineinzukommen, neue Produkte entwerfen zu können.

Wir haben erst kürzlich unser eigenes Software-Team aufgebaut. Für das Phone (1) hatten wir viel von der Software outgesourct. Das Update auf Android 13 haben wir zum ersten Mal intern gebaut. Ich würde sagen, aus einer Entwicklungs-Perspektive sind wir in einer weitaus stabileren Lage. Das Team hat bereits daran gearbeitet, Produkte hardware- und softwareseitig zu gestalten.

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Nothings Kopfhörer Ear Stick (links) und Ear 1 weisen ein auffälliges, transparentes Design auf. (© GIGA)

GIGA: Es handelt sich um das alte Oxygen-OS-Team , oder?

Pei: Ja, ein großartiges Team. Daher glaube ich, dass unsere Produkte in diesem Jahr deutlich reifer sein werden. Weil wir mehr Entwicklungs-Ressourcen haben, sind wir auch sicherer darin, innovativere Dinge zu unternehmen.

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Vorher mussten wir uns im Vergleich stärker auf die Standards konzentrieren: Akkulaufzeit, Systemstabilität, wie geschmeidig das System läuft. Jetzt können wir anfangen, unsere eigenen Ideen in der Software umzusetzen.

GIGA: Welche Ideen beispielsweise?

Pei: Als wir neu am Markt waren, hatten wir einen frischen Ansatz in Sachen Produktdesign. Wir mussten uns dabei aber auf das Design der Hardware beschränken.

In diesem Jahr werden wir auf der Software-Seite mehr umsetzen. Nicht alles, was wir eigentlich machen wollen, aber es wird auf jeden Fall ein großer Schritt nach vorne.

GIGA: Okay, cool. Und das nächste Smartphone, das ihr veröffentlichen werdet, wird dann auch deutlich mehr Leistung haben, habe ich gehört.

Pei: Gestern haben wir angekündigt, dass es mit einem Chip der Snapdragon-8-Reihe von Qualcomm laufen wird. Wir haben einiges an Feedback aus unserer Community gehört. Sie wollen ein leistungsfähigeres Smartphone. Ich freue mich jetzt schon darauf, ihre Reaktion zu sehen.

Mehr erfahren: Wir haben sowohl das „Erstlingswerk“ Nothing Phone (1) einem GIGA-Test, als auch den (nach dem Interview gelaunchten) Nachfolger Nothing Phone (2) einem Test unterzogen.

GIGA: In einem Interview hast du gesagt, dass ihr euch 2023 auf den US-Markt konzentrieren wollt. Aber was ist mit Europa? Hasst ihr uns? Oder was ist da los?

Pei: Ich hasse Europa nicht. Aber ich glaube, Europa ist ein Markt, in dem wir beständig wachsen müssen.

Schauen wir uns mal die zwei größten Märkte in Europa an: UK und Deutschland. Tatsächlich ist Deutschland für uns gerade sogar größer als Großbritannien. Das sind Märkte, auf denen man einige Zeit braucht, um die eigene Marke aufzubauen.

Vor allem in Großbritannien wird viel auf die Marke geachtet. In Deutschland muss man nicht nur die Marke, sondern auch Vertrauen erarbeiten. „Sind diese Typen zuverlässig? Kann ich denen vertrauen?“ Wir werden diesen Markt nicht über Nacht umwälzen. Da müssen wir in Europa geduldig sein.

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Nothing wird weiter in Europa investieren, aber ich glaube nicht, dass das der Markt ist, in dem wir eine schnelle Verbreitung unserer Produkte sehen werden.

Das Nothing Phone (1) hat beleuchtete „Glyphen“ auf der Rückseite. (© GIGA)

GIGA: Die Geräte von Nothing sind ein wenig anders als die von anderen Herstellern. Sie sind durch-designt, auffällig, etwa was die „Glyphen“ beim Phone (1) angeht. Warum? Welchen Mehrwert bringt das?

Pei: Nun, ich und große Teile unseres Teams sind davon gelangweilt, wohin sich die Industrie bewegt hat. Smartphones sehen immer ähnlicher aus, Kunden sind die Produkte immer egaler. Wir haben mit Kunden und Partnern darüber gesprochen und festgestellt, dass wir darüber ähnlich denken.

Also haben wir uns gesagt: Hey, das ist schwierig, weil wir genau so ein Unternehmen starten wollen. Mit so großen Ambitionen von null auf hundert wird das sehr schwer.

Aber wenn man sich umsieht, gibt es hier nur noch große Firmen und die gehen kaum Risiken ein. Das könnte ja ihre Position am Markt gefährden.

In anderen Branchen gibt es beides: Große Unternehmen und Herausforderer, aber nicht in unserer. Es gibt keinen Herausforderer, abgesehen von uns, weil es einfach zu schwer ist.

Wir haben also gesagt: Wenn wir es nicht versuchen, wird es vermutlich niemand anderes machen. Also: Lasst uns das versuchen. Lasst uns dafür sorgen, dass Technik wieder Spaß macht.

Nothing Phone (1)
Das Produkt ist nicht mehr verfügbar. Zuletzt geprüft: 04.10.2024 15:53 Uhr

GIGA: Um’s mal runter zu brechen: Euer Ansatz ist aktuell, Produkte transparent und auffällig zu machen, etwa mit den Lichtern auf der Rückseite. Aber wie wird sich euer Produktdesign in Zukunft weiterentwickeln?

Pei: Guter Punkt. Es hat ein bisschen damit zu tun, wie wir unser Unternehmen Schritt für Schritt entwickeln. Wenn es um unsere Software-Möglichkeiten geht, mussten wir uns um die Stabilität kümmern. Das ist die grundlegende Benutzererfahrung, die man zuerst hinkriegen muss.

Wir hatten einige Ideen und die haben wir auch noch im Plan von der Glyph-Oberfläche, aber das setzt einiges an Softwareentwicklung voraus. Mit der Zeit müssen wir es nützlicher machen.

Und bei Technik darf es nicht nur um blinkende Lichter gehen. Technik muss es Menschen irgendwie ermöglichen, ihr Leben zu verbessern. Sonst ist es keine wirkliche Innovation. Das steht für uns fest. Nun müssen wir uns der Sache auch Schritt für Schritt annehmen.

GIGA: „Nachhaltigkeit“ ist mittlerweile ein Buzzword geworden, für viele Menschen auf der ganzen Welt, vor allem aber in Deutschland. Du hast mal gesagt, dass ihr nicht einfach ein Gerät nach dem anderen auf den Markt werfen wollt, sondern einen gesunden Produkt-Lebenszyklus wollt. Was ist also dein allgemeiner Standpunkt hinsichtlich Langlebigkeit und Nachhaltigkeit bei euren Produkten?

Pei: Ich glaube, Nachhaltigkeit ist einerseits ein Buzzword, andererseits aber auch nicht, weil es wirklich wichtig ist. Und es ist etwas, das wir uns bereits vor über zwei Jahren, als wir Nothing gegründet haben, angefangen haben, anzusehen.

Jede Woche haben wir Meetings, um darüber zu sprechen, wie wir unsere Produkte nachhaltiger machen können. Das ist auch ein Lernprozess, bei dem sich unsere Gedanken über die Zeit weiterentwickelt haben.

Bei den Ear (1) haben wir versucht, mit der Produktionsstätte zu arbeiten, damit sie grünen Strom verwenden. Und wir haben Zertifikate für sie gekauft, um den verbleibenden CO₂-Fußabdruck auszugleichen. Damit war es ein CO₂-neutrales Produkt.

Aber dann haben wir gedacht: Das ist irgendwie der einfache Weg. Wir machen eigentlich nichts Besonderes bei der Fertigung. Wir bezahlen – und das Problem „verschwindet“.

Also haben wir damit aufgehört. Beim Phone (1) wollten wir uns mehr auf die richtigen Sachen konzentrieren, wie die Lieferketten, die Produktentwicklung.

Mit dem Phone (1) haben wir ein paar erste Schritte getan. Der Aluminium-Midframe ist zu 100 % recycelt. Und mehr als die Hälfte von dem Plastik stammt aus recycelten Quellen.

Ich glaube, in diesem, unserem dritten Jahr, werden wir mit wirklich interessanten Ansätzen beginnen. Wir können damit anfangen, der Welt mehr von unseren Ideen zum Thema Nachhaltigkeit mitzuteilen. Denn da gibt es natürlich auch einiges an Greenwashing.

Aber wir möchten nicht so eine Art von Unternehmen sein, das einfach nur viel sagt und dann wenig macht. Wir wollen lieber eine Menge machen und dann wenig dazu sagen. Und dieses Jahr ist die Zeit, ein wenig zu sagen.

GIGA: Letzte Frage, nicht ganz ernst gemeint: Wenn ihr ein Auto entwickeln würdet, wäre das auch transparent? Könnte dann jeder sehen, dass ich Jogginghosen zum Autofahren trage?

Pei: (lacht) Tatsächlich braucht man ähnliche Ressourcen, wenn man ein Elektroauto und ein Smartphone bauen will. Die werden immer ähnlicher. Die Lieferketten werden immer ähnlicher. Qualcomm etwa, die machen Einiges fürs Auto. Die Fabriken, in denen Smartphones gebaut werden, aus denen rollen auch Autos.

In zehn Jahren wäre das vielleicht keine Unmöglichkeit für uns. Aber ich glaube nicht, dass wir dann ein transparentes Auto bauen würden.

GIGA: Carl, danke für deine Zeit. War uns ein Vergnügen.

Pei: Danke, dass ich hier sein durfte!

Hinweis: Das Interview wurde von uns übersetzt und zum Zweck besserer Lesbarkeit in Schriftform leicht editiert.

Wenn ihr mehr über Nothing erfahren wollt, schaut mal in deren launigen YouTube-Kanal und folgt Carl auf Twitter.

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