Aktuell ist es eine aufgeblasene, ständig furzende Wasserleiche mit einer leichenstarren Erektion. Die Gründe, warum Menschen den Kinosaal vor Ende des Films verlassen, sind so vielschichtig wie das Kino selbst. Tabubruch, Provokation, Perversion, Eskalation, Langeweile, Unzugänglichkeit – manche Filme stellen ihre Zuschauer so hart auf die Probe, dass einige einfach kleinbeigeben müssen. Wir haben die heftigsten und interessantesten Fälle dieser besonderen Film-Gattung einmal versammelt und können euch jetzt schon sagen, dass der derzeitige Trouble um Daniel Radcliffes vermeintlichen Skandalfilm „Swiss Army Man“ dagegen wie ein Picknick im Park erscheint.

127 Hours (2010) – Besser Arm ab, als arm dran!

Wer hier ausschließlich extreme brutale Horrorfilme mit kontroversen Gewaltsequenzen erwartet hat, liegt völlig falsch. Der sechsfach Oscar-nominierte Film „127 Hours“ über den unglaublichen Überlebenskampf des Sportlers Aron Ralston hatte nur eine einzige Szene, die schwer zu verdauen war. Doch diese Szene hat gereicht, um in den Kinosälen der USA für Ohnmacht, Erbrechen und Anfälle zu sorgen.

In der betreffende Szene kommen wir Aron Ralstons Martyrium Dank Danny Boyles eindringlicher Inszenierung extrem nah. Ralston hatte 2003 in Utah einen Kletterunfall, bei welchem sein Arm unter einem Felsbrocken eingeklemmt wurde. Der junge Mann sah sich sodann gezwungen, seinen Arm mit Hilfe eines stumpfen Taschenmessers abzutrennen. Und genau das zeigt die besagte Szene in aller Ausführlichkeit. Die Aufnahme, die Ralston damals tatsächlich mit seinem Camcorder machte, diente als Vorlage und soll noch deutlich schlimmer sein als das was wir im Film zu sehen bekommen.

127 Hours - Trailer

Der Exorzist (1973) – Der Teufel persönlich

Das wohl prominenteste Beispiel auf dieser Liste. Mit „Der Exorzist“ wurde 1973 eine neue Generation von Horrorfilmen geboren. Die Instrumente des Films waren eine schonungslose Bildsprache, einige für damalige Verhältnisse ungemein verbal-obszöne Tabubrüche, sowie ein realistischer, körperlicher Terror, den man so noch nicht im Mainstream gesehen hatte.

Das Ergebnis war eine landesweite Berichterstattung über verstörte Kinobesucher, die die Flucht ergreifen mussten. Doch die negative Presse schadete dem Film in keiner Weise. Im Gegenteil – der Exorzist wurde mit Hilfe der breiten Berichterstattung und der aufgeregten Mundpropaganda der „Überlebenden“ zu einer Art Mutprobe in der Bevölkerung. Die Einspielergebnisse stiegen, statt - wie von Studio und Wertewächtern gleichermaßen erwartet – rapide zu fallen. Und damit hatte „Der Exorzist“  unfreiwillig ein wesentliches Element des modernen Film-Marketings erfunden, auf welches heute jedes Jahr zurückgegriffen wird.

Cloverfield (2008) – Das Motion Sickness-Massaker

Warnhinweise zu Motion Sickness sind heute keine Besonderheit mehr. Als „Cloverfield“ seinerzeit den Found-Footage Film ins Mainstream-Kino brachte, hätten sich einige, in dieser Hinsicht anfällige Kinobesucher sicherlich über eine kurze Warnung gefreut. So gingen sie ungewarnt in den Untergang. Das tragische Ergebnis waren zahlreiche Kinos mit übel verschmutzter Auslegware. Für Menschen, die auf Booten, in Flugzeugen oder während  Autofahrten Probleme mit dem Magen bekommen, war die wackelige Kamera von „Cloverfield“ eine echte Herausforderung. Erstaunlich viele Menschen waren ihr nicht gewachsen. Die entsprechenden Warnhinweise wurden damals übrigens nachgereicht.

Cloverfield Trailer

Irreversible (2002) – Der seelische Anschlag

Ein Film, wie ein Anschlag. Und zugleich auch ein Film, der den Begriff „kontrovers“ an seine bis dato gezogenen Grenzen bringt. Gaspar Noés „Irreversible“ schlug während der Filmfestspiele in Cannes 2002 dermaßen hohe Wellen, dass die Reaktionen auf den Film in der internationalen Presse breit rezipiert wurden. Von 2.400 Zuschauern verließen rund „200 das Kino vorzeitig, andere protestierten durch laute Zwischenrufe“, heißt es auf der Wikipedia-Seite des Films.

Anlass dafür gaben die extreme Gewaltdarstellung gleich zu Beginn des Films, sowie eine unerträglich realistisch inszenierte Vergewaltigungssequenz. Um die brachiale Wirkung des Films zu verschärfen, fügte Gaspar Noé zudem noch eine spezielle Audiospur im Niedrigfrequenzbereich ein, die anscheinend für einige Menschen sehr unangenehm ist. Alles in allem eine Filmerfahrung, der man sich nur stellen sollte, wenn man genau weiß, worauf man sich hier einlässt.

Irreversible Trailer

Der König der Löwen (1994)  – Zu viele Kindertränen

Aus heutiger Sicht erscheint der Eklat, den Disney seinerzeit mit dem „König der Löwen“ hervorrief etwas schwer vorstellbar. Viele Eltern empfanden den Zeichentrickfilm schlichtweg als zu brutal für einen Kinderfilm. Die Rotz und Wasser heulenden Kleinkinder konnte diesen Eindruck nicht wirklich entkräften. Der Aufruhr der Eltern ging so weit, dass viele von ihnen sich von Disney betrogen fühlten und den Film als einen Bruch mit der Tradition des Unternehmens ansahen.

König der Löwen-Trailer

Tree of Life (2011) – Das Meta-Monster

Mit “Tree of Life“ lieferte Terrence Malick nach Jahren der filmischen Abstinenz endlich wieder ein metaphysisches Meisterwerk ab, das von den Kritikern geliebt wurde und insgesamt 101 Filmpreise erhielt. In den USA kam der Film allerdings nicht so gut an. Kurz nach der Veröffentlichung machten Meldungen die Runde, wonach eine erstaunlich große Anzahl von Kinogängern ernsthaft ihr Geld zurückforderte.

Die New York Time berichtet zum Beispiel von Kinos, die ihre Zuschauer auf Schildern baten, sich vor der Sichtung des Film über selbigen zu informieren. Einige Kinos gingen sogar so weit, dass sie Zuschauern, die innerhalb der ersten 30 Minuten gingen, ihr Geld zurückgaben. Und das alles nur, weil sich “Tree of Life“ mehr mit Bildern und Gefühlen erzählt und weniger mit vordergründigen Dialogen. Some People!

Tree of Life - Trailer

The Walk (2015) – Die Mutprobe

Auch hier können wir das fluchtartige Verlassen des Kinosaals gut verstehen. Robert Zemeckis atemberaubendes 3D-Finale in “The Walk“ wird selbst harte Zuschauernüsse knacken, wenn sie denn unter Höhenangst oder Schwindelattacken leiden. Und das tun erstaunlich viele Menschen. Der spannende Lauf von Philippe Petit (Joseph Gordon-Levitt) über ein zwischen den Manhattan Twin Towers gespanntes Stahlseil ist dank modernster 3D-Technik so lebensecht inszeniert, dass der Körper auf die nahezu perfekte Illusion ganz real reagiert. Folgerichtig mussten einige Zuschauer während des Finales das Kino verlassen.

The Walk - Trailer

Die 120 Tage von Sodom – Im Höllenkreis der Scheiße

Wenn die FAZ auf einen Film mit Schlagzeilen wie „Die Grenzen des Darstellbaren“ reagiert, wenn christliche Bürgerinitiativen in Deutschland Strafanzeige erstellen und wenn die Polizei sogar Vorführungen untersagt, dann muss es sich schon um einen sehr „besonderen“ Film aus der Gruppe der perversen Filme handeln. Ob Pasolinis Verfilmung der „120 Tage von Sodom“ tatsächlich dieses Prädikat verdient oder seine explizite Darstellung von Vergewaltigung und Mord den Film tatsächlich ins moralische Abseits stellt– das ist seit nunmehr 40 Jahren Gegenstand einer der wichtigsten Diskussionen der Filmgeschichte. Sein Auftritt auf der Liste hat sich der Film jedenfalls verdient, rüttelte er doch die Bundesrepublik 1975 gehörig durch und sorgte vielerorts für fluchtartiges Verhalten unter den Kinobesuchern.

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