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EuGH: Google darf eure Mails lesen – die Polizei nicht!


Seit 2012 stritt Google mit der deutschen Bundesnetzagentur vor verschiedenen Gerichten, nachdem diese Gmail zwingen wollte, sich als Telekommunikationsdienst dort anzumelden. Das hätte weitreichende Auflagen bedeutet. Nun hat Google die Auseinandersetzung vor dem Europäischen Gerichtshof gewonnen. Was bedeutet das für Gmail-Nutzer?

 
Google
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Die Kernfrage, um die es die ganze Zeit ging, lautet: Sind Webdienste wie etwa Gmail oder WhatsApp elektronische Telekommunikationsdienste oder nicht? Google hat das natürlich verneint, denn es hätte für die Betreiber solcher Dienste viele Verpflichtungen beinhaltet, die man auf jeden Fall vermeiden wollte. Das Urteil hat aber auch Auswirkungen für die Nutzer solcher Angebote – gute und weniger gute.

Darum ging es in dem Streit Google vs. Bundesnetzagentur

Betreibt der Anbieter eines E-Mail-Dienstes einen „elektronischen Telekommunikationsdienst“? Denkt man kurz darüber nach, wird man vermutlich mit Ja antworten. Um die Frage zu klären, muss man sich die Definition solcher Dienste ansehen: Sie setzen unter anderem voraus, dass der Anbieter für die Bereitstellung seiner Dienste auch eine vollständige Netzstruktur unterhält.

Die Telekom fällt als klassischer Zugangsprovider unter diese Regelung. Sie unterhält ein vollständiges Netzwerk bis hin zum Endkunden. Google tut das nicht, so die Anwälte des Konzerns. Google, WhatsApp und ähnliche Dienste nutzen die Strukturen des bestehenden Internets.

Aber warum war es Google so wichtig, diese Einstufung zu umgehen und warum will die Bundesnetzagentur Google in seine Regeln zwingen?

Elektronische Telekommunikationsdienste unterliegen besonderen datenschutzrechtlichen Bedingungen. Unter anderem sind sie verpflichtet, Hintertüren für die Ermittlungsbehörden bereitzustellen, damit diese Zugriff auf die Kommunikation überwachter Personen bekommen.

Dagegen wehren sich Unternehmen wie WhatsApp oder Google natürlich, weil das tiefgreifende Änderungen an der Infrastruktur der Nachrichtenübermittlung bedeuten würde. WhatsApp überträgt die Nachrichten verschlüsselt und kann sie nicht einmal selbst sehen. Das zu ändern würde auch ein massives Risiko für die Datensicherheit bedeuten.

So hat das Gericht argumentiert

Im Fall C-193/18 war der EuGH der Meinung, dass Googles Dienste nicht unter die Regelung elektronischer Telekommunikationsdienste fallen. Dabei hat sich das Gericht vor allem auf das „Google-Produkt“ Gmail bezogen und dabei folgendes festgestellt: Google versendet und empfängt dabei zwar Datenpakete, stellt auch IP-Adressen zur Verfügung, aber der eigentliche Transport erfolgt über die Provider der E-Mail-Nutzer.

Europäischer Gerichtshof / Bild von Marc Schneider auf Pixabay

Das, so das Gericht, „reicht nicht aus für die Einstufung dieses Dienstes als im Sinne von Art. 2 Buchst. c der Rahmenrichtlinie ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze bestehend“.

Das Gericht ging noch einen Schritt weiter und konkretisierte, dass Google auch „als Betreiberin ihrer eigenen elektronischen Kommunikationsnetze elektronische Kommunikationsdienste erbringt“ und somit (nur) dafür als elektronischer Telekommunikationsdienst gilt. Aber das bedeutet eben nicht, dass pauschal alle Dienste des Unternehmens dieser Regel unterliegen.

Das bedeutet das Urteil für euch

Noch ist zwar nicht alles vorbei, aber das Urteil steht eigentlich schon fest. In der ersten Instanz hat das Verwaltungsgericht Köln die Klage von Google 2012 abgewiesen. Daraufhin ging das Unternehmen bis vor den Europäischen Gerichtshof. Da dort das Urteil zugunsten des Klägers ausfiel, muss nun das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen auf Grundlage des EuGH-Urteils fällen, dann wird die Sache rechtskräftig. Auf Grundlage dieses Urteils können dann zukünftig auch alle ähnlichen Dienste, wie beispielsweise die Betreiber der verschiedenen Messenger, die Forderungen der Bundesnetzagentur ablehnen.

Wie eingangs erwähnt, hat das gute und schlechte Seiten.

Die Einstufung als elektronische Kommunikationsdienst und damit einhergehende Anmeldung bei der Bundesnetzagentur würde bedeuten, dass zum Beispiel Gmail den deutschen Telekommunikations-Bestimmungen unterliegen würde.

In dem Fall müsste Google unter anderem Schnittstellen für Ermittlungsbehörden einrichten, über die Polizei und Geheimdienst bei Bedarf jederzeit E-Mails lesen oder Kontaktlisten abgreifen kann. Google ist auch jetzt schon gezwungen, auf eine gerichtliche Anordnung hin Daten an Strafverfolgungsbehörden auszuliefern. Aber das muss jedes Mal fallweise entschieden werden und kann von Google abgelehnt werden, wenn beispielsweise bestimmte Rechtsvorschriften nicht befolgt werden.

Die Telekommunikations-Bestimmungen haben aber auch eine Datenschutz-Komponente. Das Fernmeldegeheimnis (heute als Telekommunikationsgeheimnis bezeichnet) verbietet unter anderem das Mitlesen und die Verwertung von Nachrichten. Es betrifft aber in erster Linie Telekommunikationsanbieter. Nun, da festgestellt wurde, dass Google keine elektronischen Telekommunikationsdienste erbringt, fällt das Unternehmen auch nicht unter diese Regelungen.

Solange also kein Mitarbeiter in den E-Mails herumschnüffelt, spricht rechtlich nichts dagegen, dass Google die E-Mails automatisch auswertet und deren Inhalte zum Beispiel für eine zielgerichtete Werbung nutzen. Auch WhatsApp könnte nun theoretisch eure Nachrichteninhalte für die angedrohte Werbung nutzen – aber es wird ja immer wieder betont, dass die verschlüsselten Nachrichten nicht mitgelesen werden könnten.

Fazit

Gut an dem Urteil ist, dass damit eine Aufweichung von Sicherheitssperren verhindert wird. Diese eindeutige Einschätzung solcher Dienste verhindert, dass deutsche Telekommunikationsgesetze zur willkürlichen Regulierung von Gmail, WhatsApp und Co. genutzt werden, die der Chef der Bundesnetzagentur früher schon in Interviews angedroht hatte.

Letztlich hätte sich aber vermutlich für die meisten nichts geändert, wenn die Bundesnetzagentur dieses Mal gewonnen hätte. „Otto Normal-User“ muss nicht befürchten, dass die Polizei seine Mails liest. Und Terroristen nutzten bevorzugt andere Nachrichtenwege.

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