So bewertet ein ECHTER Skate-Profi das Desaster zu Tony Hawk's Pro Skater 5

In der vergangenen Woche veröffentlichte Activision die wahrscheinlich letzte Ausgabe der Tony-Hawk’s-Serie: Tony Hawk’s Pro Skater 5. Dass das Spiel nicht das Beste ist, wisst ihr bereits. Doch wie schlägt es sich im Experten-Check? Wir haben einen echten Skater gefragt, was gut und was total schief gelaufen ist.
Eigentlich sollte an dieser Stelle unser großer und vernichtender Test zu Tony Hawk’s Pro Skater 5 stehen. Wir hätten uns das Spiel genommen, euch von den Bugs berichtet, der schlechten Grafik, den Fehlern und hätten am Ende eine voraussichtlich schlechte Wertung vergeben. Aber wir haben uns dagegen entschieden, denn dass das Spiel nicht wirklich gut ist, das wissen wir inzwischen alle. Doch das kann womöglich aus der Perspektive von Skate-Fans ganz anders aussehen. Deswegen haben wir einen Experten gefragt, ob wirklich JEDER das Spiel kacke findet oder ob es noch Hoffnung gibt: Hallo, lieber Skate-Profi.
Christoph Schröder ist seit 15 Jahren Skater. Der 26-Jährige ist mittlerweile aber noch viel mehr. Als Gründer und Inhaber der Streetwear-Marke Aight* Evolution, sowie Chefredakteur, Fotograf und Herausgeber des Skateboarding-Magazins Achterdeck, ist er der perfekte Mann um als Vertreter einer völlig anderen Zielgruppe Tony Hawk’s Pro Skater 5 eine faire Chance zu geben. Er hat einen großen Teil der im Spiel enthaltenen Skater bereits persönlich getroffen und kennt sich extrem gut im Bereich der Sportart und dem ganzen Drumherum aus.
Erste Schritte auf einem Rollbrett
Nach quälend langer Wartezeit (danke, liebes PSN) können Christoph und ich endlich Tony Hawk’s Pro Skater 5 starten. Das Spiel startet mit einem Zusammenschnitt verschiedener Tricks der im Spiel enthaltenen Akteure. Bei meinem Nebensitzer macht sich dieses Video positiv bemerkbar: Christophs Augen werden größer und enthalten ein gewisses Strahlen. Kurz erklärt er freudig, dass diese Sequenz eine Sache sei, die die Pro-Skater-Reihe ausmache. Das gelte auch für den Soundtrack, der vor allem Indie-Gruppen ins Rampenlicht stellt. Das klassische Tony-Hawk-Feeling ist also schon mal da.
Dann folgt die Fahrerwahl. Der Experte merkt beim Anblick der im Spiel enthaltenen Fahrer sofort an, dass zwar die Quantität gering sein mag, die Qualität aber überzeugt. Fahrer wie Riley Hawk, den Jaws Homoki oder die Perfektionsmaschine Nyjah Huston hätte er sich auch sehr gerne für Skate 3 gewünscht. Gleiches gilt für die Start-Map, welche eine Nachbildung des The-Berrics-Skateparks in Los Angeles ist.
„Das ist zum Skaten schon nicht uninteressant. Die Halle hätte ich mir auch bei Skate gewünscht, denn das ist DIE Skatehalle. Die Jungs haben es hinbekommen, daraus eine Art Online-Channel zu machen. Da haben die krassesten Skater und Teams ihre Parts gefilmt“, so Schröder.
Die Ernüchterung folgt jedoch auf dem Fuße: das ist auch die einzige Map, die wir zu Beginn spielen können. Und das wird auch erst einmal so bleiben, bis wir genügend Missionen gemeistert haben, um die zweite Map freizuschalten, die kein reales Vorbild mehr hat. Stattdessen sehen wir uns an einem Strand mit Feuerthema.
„The Berrics war schon geil, aber die mussten sich die Map ja auch nicht ausdenken, die sieht im echten Leben genauso aus wie im Spiel. Und die zweite Map passiert halt, wenn sich irgendwelche Designer und Artists in einem Level verwirklichen dürfen, die bauen dann so etwas. Mit brennendem Board und sowas. Das ist dann natürlich ein wenig weit weg von realistisch. Das ist jetzt ja schon mehr Fantasy.“
Das sagt der Experte zur Steuerung in Tony Hawk’s Pro Skater 5
„Das größte Manko in Sachen Steuerung ist, dass es mit den Knöpfen für einen echten Skater zu unnatürlich ist. Die Lenkung könnte durchaus noch optimiert werden“, so der Aight*-Gründer.
„Skate 3 war da einfach der Oberhammer. Die haben sich Skater wie Ron Dyrdek gesucht und haben es geschafft, das Gameplay so umzusetzen, wie du in Wirklichkeit einen Trick machst. Ich drücke als Skater nicht erst X und dann nach links um einen Kickflip zu machen. Ich drücke meinen Fuß nach hinten, zieh ihn dann nach vorne und mache einen Kickflip. Aber das geht nur in den Kopf eines Skaters rein und nicht in den eines Gamers. Deswegen macht die Lenkung hier Sinn und hat seine Berechtigung. Man kann sich an beides gewöhnen. Die Knöpfe machen das Gameplay und wenn du das beherrschst, kannst du natürlich auch geil ausrasten.“
Der Zuspruch hält sich jedoch in Grenzen. Insbesondere die Tastenbelegung sorgt unsere gesamte Session über für Frust.
„Die haben hier das Anpushen auf R2. Und du benutzt zum Steuern entweder den Analogstick oder das Digipad. Ich habe schon oft Leute gehört, die Skate gespielt haben und damit nicht klarkamen. Die meinten dann zu mir, dass sie immer wieder X gedrückt haben, und es ist eben nichts passiert. Die werden nur diese Lenkung verinnerlicht haben. Da bin ich wahrscheinlich einer von wenigen, die Probleme damit hatten. Gut finde ich es nicht, aber es ist spielbar.“
Ist die Grafik so schlecht, wie alle sagen?
Ihr habt sicher schon einige Berichte zu Tony Hawk’s Pro Skater 5 gelesen und viel Schlechtes über die Grafik erfahren. Sie gehört zu den größten Störfaktoren, die viele Spieler und Kritiker an dem Spiel bemängeln. Ich würde dem ohne Kenntnis der vorherigen Spiele auch zustimmen. Für heutige Verhältnisse und Grafik-Standards sah es auf der PlayStation 4 einfach zu unsauber aus. Die Fahrer selbst waren im Cel-Shading-Look gehalten, die Strecken dagegen in einer realistischen Optik. Diese Abwechslung würde ja ganz cool wirken, wenn die Umsetzung nicht an inzwischen stark veraltete Technik erinnern würde. Was ich und viele andere Spieler als Manko sehen, sieht unser Experte Christoph Schröder ganz anders.
Das Spiel könnte zwar durchaus schöner aussehen, aber er fand es auch nicht weiter schlimm, dass Tony Hawk’s Pro Skater 5 nicht auf voller Höhe ist.
„Die Grafik ist auf jeden Fall besser geworden. Die Entwickler sind nie aus diesem Comic-Stil rausgekommen. Es sieht eben nicht natürlich aus, sondern sehr gemalt. Das ist für die Zielgruppe auch nicht verkehrt. Tatsächlich ist es schon ganz cool und im Vergleich haben sie da gut nachgelegt. Die einzige Ausrede, warum das so aussehen darf, ist die Zielgruppe. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieses Spiel hier noch von einem Core-Skateboarder gespielt wird. Das richtet sich ja eindeutig an Kids. Der Skatepark selbst ist dagegen sehr schön gestaltet, vor allem mit den Details auf dem Boden. Es sieht eben so rough aus, wie es in Wirklichkeit ist.“
Aber warum meckern dann jetzt alle darüber, wie schlecht es heute aussieht und wie unrealistisch Tony Hawk’s Pro Skater 5 ist? Auch auf diese Frage wusste unser Spezi eine plausible Antwort.
„Von der Bewegung her ist es jetzt auch nicht realistisch, das stimmt. Für mich zeichnet das aber auch den Charakter der Pro-Skater-Reihe aus. Früher hat man einfach nicht gemerkt, wie unrealistisch das ist.„
Kann Tony Hawk’s Pro Skater 5 mit dem Gameplay punkten?
Um die Antwort vorwegzunehmen: Semi. Hier sind sich der Achterdeck-Herausgeber und ich auch tatsächlich einig. Auch wenn ich selbst keine großartige Ahnung vom Skateboarding habe, kenne ich die Gesetze der Physik. Und hier hat Tony Hawk’s Pro Skater 5 auf ganzer Linie versagt. Großer Minuspunkt sind da natürlich die vielen Bugs und Glitches, die auch wir in unserer Session zuhauf erleben.
Über die oft durch die Weltgeschichte fliegenden Skater könnte ich ja noch hinwegsehen, da das rausgepatcht wird. Was aber bleibt, sind die Tricks und Kombos, die in der Realität einfach so nicht möglich sind: Stürze, die meist zum sofortigen Karriereende führen würden. Oder mangelnde Kontrolle über das Board. Ob die Steuerung nun erlernt ist oder nicht, spielt da keine Rolle. Hier bleibt man in der Luft an einer Grindstange hängen und an anderer Stelle schafft unser virtueller Profi es, sein Board per Zaubertrick an Stellen zu befördern, in dessen Nähe es eine Millisekunde zuvor nicht einmal im Ansatz war.
Hinzu kommt der Online-Modus des Spiels, der zwar kurzfristig umgangen werden kann, uns aber nach jeder Mission in einen freien Modus befördert, der uns mit anderen, störenden Fahrern auf eine Map wirft. Ernsthafter physischer Kontakt ist nicht möglich, und die ganzen umher schwirrenden Skater nehmen uns die Übersicht und verwirren mehr, als dass sich eine Sinnhaftigkeit erkennen lässt.
Und würde dies alles nicht schon für genug Frust sorgen, ist der Fortschritt und der Spaß im Spiel viel zu gering. Nach mehreren Stunden möchte ich dann vielleicht doch endlich mal eine andere Map fahren.
Die in Tony Hawk’s Pro Skater 5 enthaltenen Missionen trafen ebenfalls nicht den erlesenen Geschmack des Profis.
„Es ist mühsam mit dem Einsammeln. Das ist auch das geile an Skate, da musste man immer mal drei fette Tricks an dem und dem Spot machen. Aber das ist jetzt nur dieses Standard-Gaming mit Sachen abfahren und das macht weniger Spaß. Und dann die ganzen Wiederholungen, alles 1.000x probieren müssen. Und natürlich die ganzen Bugs, das macht einfach keinen Spaß.“
Das Gameplay ist für Skate-Profi Christoph Schröder ein klarer Grund, das Spiel zu meiden.
„Ich hätte für Tony Hawk’s Pro Skater 5 nie im Leben Geld ausgegeben. Hätte ich das getan, wäre ich enttäuscht gewesen, weil im Spiel alles viel zu lange dauert. Ich kann mir vorstellen, dass wenn man mega den Dreh raus hat, dass dann alles Spaß macht - aber nicht im Vergleich zu Skate. Wir spielen jetzt schon Stunden und haben noch nichts erreicht. Der Spieler muss schon lange am Ball bleiben, um weiter zu kommen.“
Tony Hawk’s Pro Skater 5 ist nichts für Pro Skater
Tony Hawk’s Pro Skater 5 ist der aktuellste Ableger einer Serie, die einst als einziges Skateboarding-Spiel alternativlos war. Heute gibt es mit der Skate-Serie nicht nur eine ernsthafte Konkurrenz, sondern einen Nachfolger auf dem Thron. Wer den Sport selbst ausübt, sollte eher die Finger vom Lizenzspiel lassen. Das ist zumindest die Kernaussage unseres Experten:
„Das Spiel haben keine Skater gemacht. Es geht weniger um die Tricks, sondern es geht darum, Punkte zu sammeln und Leistung zu erbringen. Und wenn man mal guckt, ob ich mich repräsentiert fühle: Beim Skateboard fahren geht es eben nicht nur darum, abzuarbeiten und Leistung zu erbringen, es muss auch Spaß machen. Und es muss realistisch sein.„
„Ich finde es auch witzig, dass da mal eine Rail brennt, aber irgendwie hätten sie da weniger Energie reinstecken und ein bisschen daran arbeiten können, dass die Slides und Grinds realistischer aussehen und nicht so stumpf sind. Das beeindruckt mich viel mehr. Ich weiß, dass es den meisten Leuten wahrscheinlich egal ist, aber für mich als Skater ist das wichtig. Und von daher kann man ruhig stehen lassen, dass es ausbaufähig ist. Es hat die Lizenzen, aber nicht die Liebe.“
Test-Fazit zu Tony Hawk's Pro Skater 5 des Skate-Experten:
Mein Fazit zu Tony Hawk’s Pro Skater 5 ist, dass man ganz viel Durchhaltevermögen haben und die Lenkung lernen muss. Wenn man das erst einmal raus hat, kann das Spiel deutlich mehr Spaß machen. Ich würde dem Spiel eine gut gemeinte und fair bewertete 7 geben, weil sich erkennbare Mühe gegeben wurde, dem Spieler etwas zu bieten. Es gibt viele coole Sachen und Gadgets, wie das brennende Board am Stand, sowie Objekte, die etwas auslösen und so die Map verändern können. Das macht natürlich Spaß und darauf kommt es an, wenn man sich so ein Spiel holt. Die letzten drei Punkte, die mir auf einer Skala von 1 bis 10 fehlen, sind die fehlende realistische Umsetzung, die schlechte Steuerung und die Natürlichkeit des Spiels, die ich als Skater einfach nicht bemerke.