GreedFall im Test: Kampf oder Diplomatie – du entscheidest
Du suchst mal wieder nach einem Rollenspiel, das sich trotz „Back to the Roots“-Einstellung irgendwie frisch anfühlt? Dann ab nach New Serene – dem Schauplatz von GreedFall.
Bevor ich den Test mit seinen typischen Abschnitten über Gameplay, Besonderheiten, Story und Co. beginne, möchte ich die Gelegenheit nutzen und mich kurz über die wahnsinnige Schönheit von GreedFall auslassen. Wir Gamer sind heutzutage verwöhnt: Alles muss noch schöner, detailgetreuer und am besten dystopischer aussehen als das letzte Spiel. Aber was ist mit der malerischen Optik wie die eines Ölgemäldes, in der ich mich verlieren kann? Genau so etwas suche ich – gepaart mit einer guten Geschichte, die zur Atmosphäre passt.
Focus liefert mir genau das: blutrote Sonnenuntergänge, wehende Blätter an den Bäumen und eine Landschaft, die mich ins Schwärmen bringt. Ich kehre jetzt einfach unter den Tisch, dass die Mimik nahezu aller Charaktere zu Wünschen übrig lässt und alles irgendwie ein bisschen steif aussieht. Dafür mache ich einfach direkt mit den nächsten Punkten weiter.
Typisch und unverzichtbar zu Beginn eines jeden Rollenspiels: der Charakter-Editor. Hier habe ich mir meinen Helden mit schwarzem Haar und blauen Augen erstellt, den ich ab sofort durch die von der Malichor-Pest verseuchte Welt begleite. Meine Kleidung kann ich erst später wechseln. Sie bietet neben unterschiedlichen Boni für den Kampf auch eine optische Veränderung, die beispielsweise zum Infiltrieren einer gegnerischen Basis nützlich sein wird. Mal trage ich einen riesigen Piratenhut, mal gar keine Kopfbedeckung, dafür ein neues Gewand.
New Serene - ein magisches Land?
Zusammen mit meinem Cousin begebe ich mich zu Beginn des Spiels auf eine lange Reise. Wir wollen nach Tier Fradee, den Hafen einer mystischen Insel, die mein Cousin schon bald als Gouverneur regieren soll. Da es das einzige Stückchen Land ist, das von der Seuche verschont bleibt, sind wir allerdings nicht die einzigen mit dieser Idee. Zahlreiche andere Fraktionen kommen ebenfalls dort an und wollen den Ort für sich beanspruchen.
Die anderen Siedler sind allerdings nicht mein einziges Problem: Auf der Insel leben viele Einheimische, die einen seltsamen Bund zur Natur haben und im Einklang mit ihr leben. In den Wäldern der stückchenweise offenen Spielwelt treffe ich gemeinsam mit meinen KI-Kompagnons auf wilde Biester aller Art: Von großen Monstern aus Ästen bis hin zu Bärenfamilien, die ihr Revier verteidigen. Sie alle greifen mich ohne Umschweife an und zwingen mich dazu, den Degen zu ziehen.
Taktische Pause erlaubt Bedenkzeit
Die Kämpfe in GreedFall bieten umfangreiche Möglichkeiten. Je nachdem auf was man die Skill-Punkte gelegt hat, verfügt der Protagonist und sein weibliches Gegenstück über eine spezielle Waffenklasse und Angriffsmuster. Im Laufe der Handlung kannst du mehr freischalten und schließlich alles lernen: Vom flinken Degen bis zu Feuerbällen. Für mehr Tiefe und eine kleine Verschnaufpause im Gefecht gibt es die taktische Pause. Sie hält die Zeit an, damit ich mich neu sammeln kann und die Möglichkeit bekomme, meine nächsten Aktionen zu überdenken. Wie ging nochmal das Montieren einer Falle? Welche Zauber habe ich bereits erlernt?
Während in den Wäldern kaum eine Möglichkeit besteht, den Kämpfen gänzlich aus dem Weg zu gehen, sieht das in New Serene ganz anders aus. Hier habe ich verschiedene Optionen, um mit meinen Talenten zu begeistern. Am Anfang des Spiels habe ich mich auf die Kunst des Fallenlegens und Fechtens konzentriert. Dazu habe ich meinem Charakter ein paar Punkte für Charme spendiert, damit er sich galant aus schwierigen Situationen befreien kann, ohne das Messer ziehen zu müssen. Im Laufe der rund 30 bis 40 Stunden umfassenden Geschichte kann ich noch weitere Fähigkeiten ausbauen. Als Wissenschaftler braue ich mir meine eigenen Tränke und je besser meine Sprachfähigkeiten sind, desto erfolgreicher sind diplomatische Wege.
Generell lassen sich viele Konflikte und Missionen auf verschiedene Art angehen. Wer nicht auf Charme und diplomatische Künste geskillt hat, wird selten erfolgreich aus solchen Situationen gehen. Aber es gibt noch so viele andere Möglichkeiten! Manche von ihnen ersparen dir Kämpfe, andere verursachen sie erst. Die Optionen eine Situation zu meistern, haben weitreichenden Einfluss auf die Team-Mitglieder. Sie haben unterschiedliche Ziele und Gesinnungen, die sich im Laufe der Zeit verändern können. Ist mein Kampflehrer Kurt zunächst mir gegenüber misstrauisch, kann sich das aufgrund von Taten, die seiner Meinung nach richtig sind, in Zuneigung entwickeln. Diese positive Stimmung zwischen den Kompagnons kann sich sogar zur Liebe entwickeln, ebenso auch ins Negative. Ist einer im Team mein Feind, so kämpft er nur halbherzig mit und gibt seinem Unmut wann immer er kann Raum.
Mein Fazit
GreedFall ist ein malerisches Kunstwerk, dem ich stundenlang zuschauen könnte. Die klassischen Rollenspiel-Elemente wurden in eine weniger als 40 Stunden langen Geschichte verpackt, die ich als spannend empfunden habe. Da es hier und da immer wieder Nebenaufgaben gibt und auch die Hauptmissionen sich gern mal in verschiedene Zweige aufteilen, habe ich mich manchmal etwas verzettelt. Aber hey, dann renne ich eben erneut durch den Wald zur goldenen Stunde.
Hinsichtlich Atmosphäre bricht GreedFall unbeabsichtigt in zwei Teile: die fabelhafte Spielwelt und dort hineinpassende Geschichte in einem alternativen 17. Jahrhundert mit Magie gegen kalte Gesichter und lebloser Geräuschkulisse. Eine belebte Straße, eine Lichtung mit raschelnden Büschen und Tieren – das alles müsste viel lebendiger sein. Dann könnte ich die Einbrüche der Framerate in Kämpfen voller fliegender Magiekugeln auch eher verzeihen.
Am Besten gefallen mir die verschiedenen Wege, um GreedFall zu spielen. Obwohl die anfänglichen Entscheidungen im Charakter-Editor mit der Zeit um alle vernachlässigten Optionen erweitert werden können, bietet das Spiel Variation. Denn anstatt zu kämpfen, kann ich in den zuvor stattfindenden Gesprächen einfach geschickt verhandeln und so den Spieß umdrehen.
Wird dir gefallen, wenn du ein nicht zu langes RPG suchst, das optisch ordentlich etwas her macht und Magie, sowie den Look des 17. Jahrhunderts vereint.
Wird dir nicht gefallen, wenn du CGI-Figuren in einer dystopischen Welt erwartest, um mit Laserkanonen zu schießen.