Ein kleiner Betrag, ein großer Aha-Moment: So durchschaute ich das System der Deutschen Bahn.
Was war das wieder für eine Woche! Der Sommer kommt langsam in Fahrt, und während halb Deutschland die Grillzange schwingt, habe ich mich mal wieder auf eine dieser berüchtigten Fernverkehrsfahrten der Deutschen Bahn begeben. Spoiler: Es wurde eng. Aber nicht, weil ich zu spät war – sondern weil ich ausnahmsweise mal alles richtig gemacht habe. Ja, richtig gelesen: Ich habe die Bahn durchgespielt. Und das dank eines kleinen Tricks, der mir am Ende nicht nur einen Sitzplatz, sondern fast so etwas wie Reisekomfort verschafft hat.
Sonderweg der Deutschen Bahn hat sich für mich ausgezahlt
Der Fernverkehr der Deutschen Bahn hat eine Besonderheit, die kennt man im Ausland nicht unbedingt. Kauft man sich nämlich ein Ticket für den ICE, dann hat man damit noch lange keinen Anspruch auf eine passende Sitzgelegenheit. Selbst wer also viel Geld für einen Hochgeschwindigkeitszug ausgibt, muss – um sicherzugehen – nochmals für eine Sitzreservierung blechen. Sonst droht im Fall der Fälle ein Stehplatz.
Heißt: Die Bahn verkauft auch gerne mal mehr Tickets, als Sitze vorhanden sind. Für Anbieter außerhalb Deutschlands ein Unding. Wer beispielsweise ein Ticket im Eurostar kauft, der weiß, dass er auch immer einen Sitzplatz auf dem Weg nach London, Brüssel oder Paris hat – wie im Flugzeug halt.
Besonders in den Sommermonaten wird das bei der Deutschen Bahn schnell zum Problem. Kommen dann noch technische Schwierigkeiten hinzu, drohen überfüllte Züge und der große Reisefrust. So dachte auch ich bisher. Doch zuletzt rettete mir dieser „deutsche Sonderweg“ im wahrsten Sinne den Hintern – konnte ich doch denselben gepflegt auf einem Sitz drapieren.
Die Trennung von Ticket und Sitzplatz bietet nämlich auch Vorteile, wie ich am eigenen Leib zuletzt feststellen durfte. Bei meiner letzten Dienstfahrt sollte es von Berlin Richtung Westen gehen. Eigentlich war ich auf einen späteren Zug gebucht – mit ziemlich wenig Zeit für den Umstieg in Köln. Allerdings hatte ich ein Flexpreis-Ticket und damit freie Zugwahl. Was also tun?
Wie empfohlen fahren und das Risiko eingehen, den Anschluss zu verpassen? Oder aber die ursprüngliche Sitzplatzreservierung in den Wind schießen und einfach eine Bahn eher nehmen, um mehr Puffer in der Metropole am Rhein zu haben? Da im Laufe des Tages wortwörtlich dunkle Wolken aufzogen und somit Probleme auf den Bahnstrecken drohten, wollte ich die Bundeshauptstadt lieber früher als später verlassen – nur fünf Stunden auf der Fahrt stehen wollte ich auch nicht.

Musste ich auch nicht. Ich holte mir nämlich in der DB-App einfach noch fix eine Sitzplatzreservierung für den früheren Zug. Von mir persönlich aus eigener Tasche bezahlt – ein neues Ticket brauchte ich ja nicht – und hatte dennoch die Sicherheit eines beruhigenden Sitzplatzes. Das war mir die läppischen 5,50 Euro allemal wert.
Sitzplatz sicher – und der Verspätung davongefahren
Ein echter Power-Move, wie sich in vielfältiger Hinsicht herausstellen sollte. Nicht nur war der Zug richtig voll und Passagiere ohne Reservierung mussten stehen, auch sollte sich der frühe Abmarsch als klug erweisen. Kollegen mit späteren Abfahrten kämpften nämlich mit stundenlangen Verspätungen. Ich hingegen fuhr dem Wetter davon und kam am Ende nur mit einer Verzögerung von knapp 10 Minuten an – für die Bahn also nahezu pünktlich.
Ich muss sagen: Aus diesem Blickwinkel betrachtet ist der deutsche Sonderweg mit der Trennung von Ticket und Reservierung ein echter Vorteil. Der zahlt sich – so ehrlich muss man sein – aber natürlich vor allem bei den teuren Flexpreis-Tickets aus.
Gewinnen tut am Ende aber jedenfalls die Bahn. Denn mit etwas Glück lassen sich dann pro Ticket halt auch schon mal mehr als nur eine Reservierung verkaufen. Ziemlich clever – daran kann es also eher nicht liegen, dass die Bahn knietief in den roten Zahlen steckt. Doch das ist wieder ein anderes Thema, für ein weiteren Artikel.