Apple hält Wort und präsentiert mit dem Mac Pro ein neues Konzept eines verkleinerten Desktop-Rechners für den professionellen Markt. Tatsächlich recycelt der Hersteller mit dem Mac Pro jedoch eine 13 Jahre alte Idee. Wiederholt sich die Geschichte?

 
Mac Pro
Facts 

Im Sommer des Jahres 2000 präsentierte Steve Jobs der Weltöffentlichkeit den Power Mac G4 Cube – ein ausgewachsener Power Mac in der Form eines kleinen Kubus. Einen solchen Rechner hatte man zuvor noch nicht gesehen. Er repräsentierte wie kein anderes Produkt das neue Selbstbildnis des kalifornischen Computer-Herstellers. Think different – kein selbstgefälliger Werbespruch, vielmehr ein Leitbild für Entwicklung und Fortschritt im eigenen Hause. Der Cube war anders. Verzichtete beispielsweise gänzlich auf einen Lüfter und machte dennoch keine wesentlichen Abstriche bei der Rechenleistung im Vergleich zu seinem größeren Bruder.

Steve zeigt voller Stolz die „Größe“ des Cube.

Sah so die Zukunft des Desktop-Rechners aus? Ich saß damals während der Vorstellung des Cubes im Auditorium des Jacob K. Javits Convention Centers in New York. Das Publikum zeigte sich hingerissen und auch meine Wenigkeit konnte sich der Begeisterung nicht entziehen. Steve zauberte erneut ein „One more thing“ aus dem Hut und der Applaus war ihm sicher.

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Mac Pro 2019: 13 Dinge, die man sich anstelle des High-End-Rechners kaufen könnte

Cube: Wirtschaftlicher Totalschaden

Nun musste der Cube nur noch verkauft werden. Doch außerhalb des „Reality Distortion Field“ eines Steve Jobs stieß der Rechner auf Unverständnis. Die Kunden griffen lieber zum klassischen Power Mac im Tower-Design – resignierte kein Geringerer als Phill Schiller (Vice President Produktmarketing bei Apple). Apple musste sogar zwischenzeitlich den Preis drastisch reduzieren: von 4500 DM auf 3000 DM. Kein Jahr später war das Schicksal des einstigen Hoffnungsträgers besiegelt. Der Verkauf wurde gestoppt. Das Konzept eines verkleinerten Desktop-Rechners für den professionellen Markt scheiterte – der Cube betriebswirtschaftlich ein famoser Flop. Die Fans des kleinen Rechners störte dies jedoch wenig, der Cube avancierte über die Jahre zum Kult-Objekt und fand seinen angestammten Platz im Museum of Modern Art.

Wenngleich das Experiment „Power Mac G4 Cube“ im Fiasko endete, so inspirierte es dennoch den gesamten PC-Markt. Es folgten Kleinstrechner mit ähnlichem Konzept. Auch Apple hat seit 2005 mit dem Mac mini einen solchen reduzierten Computer im Angebot. Den Profi-Markt adressierten die Ahnen des Cubes jedoch nicht, sie waren allein dem Consumer-Bereich zuzuordnen.

Cube vs. Tube: Die Gemeinsamkeiten

Bei der Vorstellung des neuen Mac Pro auf der WWDC 2013 überkommt mich ein Déjà-vu. Über ein Jahrzehnt nach dem Cube scheint sich Apple an das einst gescheiterte Konzept zu erinnern. Doch ist der Mac Pro im Röhrendesign tatsächlich die Wiedergeburt des Kubus-Rechners? Die Gemeinsamkeiten sind verblüffend:

Größe: Frappierend die Ähnlichkeit – Cube und Mac Pro sind nahezu gleich hoch. Durch den zylindrischen Aufbau ist der Mac Pro in Wirklichkeit sogar noch kleiner als sein Vorfahre.

Innerer Aufbau: Beide Rechner besitzen ein einzigartiges Innendesign – der Unterschied zum klassischen Tower könnte jeweils nicht größer sein. Gezielt wird jeder Millimeter genutzt, Platzverschwendung ist ein Fremdwort.

Lüftung: Sowohl Kubus als auch Röhre machen sich den Kamineffekt zu Eigen. Einem Schornstein gleich entweicht die warme Luft nach oben (Konvektion). Einen Lüfter besitzt der Mac Pro im Unterschied zum Cube dann doch. Geschuldet ist dies den wesentlich leistungsfähigeren Komponenten.

Erweiterbarkeit: Schon beim Power Mac G4 Cube beschränkte sich die Aufrüstung im Inneren auf Arbeits- und Festplattenspeicher. Nicht anders beim neuen Mac Pro. Zusätzliche Laufwerke können intern nicht nachgerüstet werden. Allein Anschlüsse für externe Erweiterungen stehen zur Verfügung.

Zielgruppe: Im Fokus stehen die professionellen Anwender – Rechenleistung dominiert. Der normale Endverbraucher wird nicht adressiert. Für ihn existiert damals wie heute der iMac (Mac mini).

Mac Pro 2013: Schon ein Flop?

Verständlich daher die Befürchtung vieler Anwender, der neue Mac Pro könne das gleiche Schicksal erleiden wie der Cube und alsbald von der Bildfläche wieder verschwinden. Doch ist diese Besorgnis unbegründet, der Mac Pro aus dem Jahre 2013 zum Erfolg verdammt. Letztlich haben sich die Rahmenbedingungen für einen solchen Rechner seit dem Erscheinen des Cubes grundlegend geändert:

Keine interne Konkurrenz: Der Hauptgrund des Scheiterns des Cube war nicht vorderhand technischer Natur. Der Anwender hatte die Wahl und entschied sich für den bisherigen Power Mac. Dieser war in seiner kleinsten Ausführung nur unwesentlich langsamer als der Cube, jedoch günstiger und dem Wesen nach flexibler aufzurüsten. Diese Option wird es beim neuen Mac Pro nicht mehr geben. Will der Nutzer den leistungsfähigsten Mac, so ist ihm die Wahlmöglichkeit fortan entzogen. Der iMac ist übrigens nur bedingt eine Alternative. Apple tut deshalb gut daran, den Leistungsunterschied bestehen zu lassen.

Fehlende Steckplätze fehlen nicht wirklich: Im Jahre 2000 waren PCI-Steckplätze für viele Anwender ein Muss. Zusätzliche Grafikkarten, Audio- und Videosteckkarten, SCSI(RAID)-Systeme…setzten zwangsweise auf die hohe Geschwindigkeit von PCI. USB (erste Version) und FireWire als externe Option hingegen waren schlichtweg zu langsam oder noch zu selten im Markt vertreten. Am neuen Mac Pro dagegen finden mehrere Displays (sogar mit 4K-Auflösung) problemlos Anschluss. Spezielle Audio- und Videointerfaces existieren als externe Lösung und leistungsfähige RAID-Systeme knüpfen mittlerweile auch per Thunderbolt Kontakt. Apropos: Wer dennoch auf PCI-Express nicht verzichten mag, der greift zu passenden Erweiterungsboxen – zum Beispiel Express-Serie von Sonnet.

Gleichwohl bleiben weitere Kritikpunkte beim Mac Pro bestehen, die größtenteils jedoch heutzutage gegenstandslos sind und so ausgeräumt werden können. Ein optisches Laufwerk wird aktuell kaum noch benötigt, der Verzicht darauf ist folgerichtig. Wer dennoch darauf besteht, findet passende externe Lösungen (auch Blu-ray). Zusätzliche Festplatten kann der Anwender ebenso nur noch extern anschließen. Dies macht eine Erweiterung zwar teurer, aber immerhin werden sie dank Thunderbolt nicht mehr ausgebremst, bieten dieselbe Leistung wie interne Laufwerke.

Preis und Verkaufsdatum des Mac Pro sind noch unbekannt. Ein ist sicher: Er kommt noch 2013.

Quintessenz: Mut zum Wandel

Freilich: Der neue Mac Pro erfordert ein Umdenken beim Nutzer. Das bisherige, integrierte Konzept muss weichen. Ersetzt wird es durch einen modularen Aufbau. Externe Erweiterungen gewinnen so an Bedeutung, sind aber nicht für jeden Nutzer auch zwangsweise notwendig. Hier liegt der Unterschied zum Power Mac G4 Cube. Bei ihm mussten unterm Strich zu viele Kompromisse gemacht werden. Die Chancen für einen Markterfolg des Mac Pro stehen dagegen gut. Allein eine überzogene Preisgestaltung könnte dem noch im Wege stehen – wie einst beim Cube. Vielleicht hat Apple aber auch aus diesem Fehler gelernt. Mein Abschlussurteil: Die Zeit ist reif für den neuen Mac Pro „Tube“.