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Fairphone 3 im Test: Aufschrauben ausdrücklich erlaubt

© GIGA

Wäre Greta Thunberg Markenbotschafterin für ein Smartphone, das Fairphone 3 käme wohl am ehesten in Frage: Es ist weitaus mehr als nur ein bis zwei Jahre haltbar, außerdem dürft ihr es ausdrücklich selbst reparieren. Smartphone-Experte Alexander Kraft hat sich das faire Mobiltelefon genauer angeschaut.

 
Fairphone 2
Facts 
Fairphone 2

Allein in 2019 wurden in Deutschland 23 Millionen neue Smartphones gekauft, rund 200 Millionen verstauben in Schränken und Schubladen. So die offiziellen Statistiken. Was allein diese Menge an Elektroschrott für die Umwelt bedeutet, möchte ich mir gar nicht vorstellen. Auf genau dieses Problem möchte die Marke Fairphone aufmerksam machen. Natürlich wird auch das Fairphone 3 nicht fair produziert, das wissen auch die Hersteller. Schließlich ist es immer noch ein Smartphone und als solches auf seltene Erden und schwer zu fördernde Rohstoffe angewiesen. Aber: Die Fertigung und die Bereitstellung der Bauteile durch Zulieferer findet unter faireren und transparenteren Bedingungen statt als bei anderen Herstellern. Und das macht das Fairphone so besonders.

Fairphone 3 im Test: Mein Fazit

Ressourcen, die nicht zwingend erforderlich sind, werden beim Fairphone 3 nicht verbaut. Auch wenn das unter Umständen bedeutet, nicht das schnellste und neueste Smartphone anbieten zu können. Fairphone verweigert sich dem Technologiewettstreit und innoviert auf unkonventionelle Weise: indem sie ihr Smartphone als Gegenentwurf zur schnelllebigen Wegwerfkultur verstehen. Das macht das Fairphone 3 technisch zu keinem modernen, aber vielleicht zu einem zeitgeistigeren Smartphone als die der Mitbewerber. Damit ist das Fairphone 3 – ich muss fast sagen leider – ein Nischenprodukt. Dafür aber eins, an dem sich die anderen Hersteller unbedingt ein Beispiel nehmen sollten.

Bildquelle: GIGA

Vorteile:

  • Robuste Verarbeitung
  • Fasst zwei SIM-Karten plus eine Micro-SD-Karte
  • DIY-Mentalität und Nachhaltigkeitsgedanke: Modularität gewährt theoretisch lange Haltbarkeit, Reparatur ist kinderleicht
  • Fairerer Herstellungsprozess als vergleichbare Geräte
  • Wenig vorinstallierte Apps, aufgeräumtes Betriebssystem

Nachteile:

  • Hoher Preis für Mittelklasse-Technik
  • Nicht wasserdicht
  • Nur Android 9 vorinstalliert
  • Kameraqualität nur unter optimalen Lichtverhältnissen gut
  • Veralteter Prozessor
  • Position des Fingerabdrucksensors

Die GIGA-Testwertung zum Fairphone 3

  • Verarbeitung, Haptik und Design: 3,5/5
  • Display: 4/5
  • Kameras: 2,5/5
  • Software: 3/5
  • Speicher und Performance: 3,5/5
  • Telefonie und Audio: 4/5
  • Akku und Alltag: 4,5/5

Gesamt-Wertung: 71 Prozent

 

 

Fairphone 3
Das Produkt ist nicht mehr verfügbar. Zuletzt geprüft: 30.09.2023 16:09 Uhr

Fairphone 3: Das gallische Dorf

Nüchtern betrachtet handelt es sich bei dem Fairphone 3 um ein Mittelklasse-Smartphone, das eigentlich zu teuer ist für das, was es technisch bietet. Denn das jüngst vorgestellte iPhone SE kostet mit 479 Euro gerade mal 30 Euro mehr als das Fairphone 3 und auch das ein Jahr alte Google Pixel 3a ist inzwischen nicht nur im Preis gefallen, sondern auch auf dem Datenblatt immer noch das deutlich leistungsstärkere Smartphone.

Wer jetzt allerdings sofort in den Kommentarbereich scrollt, um seinen Unmut darüber kundzutun, übersieht einen wesentlichen Aspekt: Das Fairphone 3 ist kein normales Smartphone, es wetteifert nicht mit der Konkurrenz um die immer besseren Spezifika. Stattdessen wurde es fairer produziert, außerdem ist der Lebenszyklus des Fairphones 3 wesentlich länger als bei gewöhnlichen Smartphones. Für Tüftler bietet das Smartphone darüber hinaus eine inzwischen rare Eigenschaft: Es kann von euch selbst repariert werden, ein passender Schraubenschlüssel liegt bei.

Und deshalb lest ihr hier auch keinen konventionellen Test zu einem gewöhnlichen Smartphone, der fein säuberlich das Gerät seziert und auf seine technische Potenz hin abklopft. Denn ja, es gibt sie noch, die paar gallischen Dörfer – pardon – Hersteller, die sich dem Rhythmus jährlicher Iteration widersetzen. Bio-Baumwollvorhang auf für das Fairphone 3, das möglicherweise am fairsten produzierte Smartphone der Welt.

Fairphone 3 – Herstellervideo
Fairphone 3 – Herstellervideo

Fairphone 3 lebt länger dank Modularität

Ganze drei Jahre hat sich der niederländische Hersteller Fairphone Zeit gelassen, um dem Fairphone 2 einen Nachfolger zu spendieren. Das hat aber nichts mit Faulheit oder mangelndem Verständnis der Branche zu tun. Vielmehr liegt das an der Mission, die der Hersteller mit seinem Produkt verfolgt und das dieses bereits im Namen trägt: “Fair“ wie in “Fairtrade“. Der Begriff ist euch bestimmt geläufig, vielleicht vom fair gehandelten Kaffee, der zwar häufig etwas mehr kostet als der konventionelle Kaffee aus dem Supermarkt, dafür aber alle an der Produktion beteiligten Personen fair, also angemessen, für ihre Arbeit vergütet. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt Fairphone, seitdem sie 2013 ihr erstes Mobiltelefon präsentierten – bis heute (leider) eine Seltenheit in der Mobilfunkbranche.

Das Konzept fürs Fairphone fußt zum einen darauf, faire Arbeitsbedingungen zu schaffen, indem unter anderem die seltenen und schwer zu fördernden Rohstoffe nicht aus umkämpften Regionen bezogen werden. Zum anderen soll mit den längeren Lebenszyklen ein Bewusstsein für den nachhaltigeren Umgang mit dem Gerät selbst geschaffen werden. Damit das Fairphone 3 möglichst lange hält und nicht, wie üblich, nach ein bis zwei Jahren gegen ein neueres Modell eingetauscht wird, setzt der Hersteller auf eine modulare Bauweise – in dieser Konsequenz übrigens eine weitere Seltenheit in der Mobilfunkbranche. Geht an eurem Fairphone 3 mal irgendeine Komponente kaputt, tauscht ihr sie einfach kurzerhand selbst aus.

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Klingt verrückt? Habe ich vor dem Test auch noch gedacht: Sogar der selbsternannte Heimwerker-King Fynn Kliemann hat sich bereits die Zähne am Auseinanderschrauben von Smartphones ausgebissen. Vor kurzer Zeit wollte er in einem Video den alten Akku seines iPhones gegen einen neuen tauschen – es endet mit einem gerissenen Display, viel Gefluche und dem Tipp, das Display einfach nicht selbst abzunehmen. Spätestens ab Ende des Videos war mir klar: Geht mir mal das Smartphone kaputt, lasse ich es von einem Experten reparieren. So haben es mir Apple, Samsung und Co. über Jahre beigebracht.

Kinderleichte Reparatur, die auch noch Spaß macht

Hinzu kommt, dass mit dem Öffnen des Smartphones in der Regel auch die Herstellergarantie der großen Anbieter erlischt – geht was schief, wird’s teuer. Oft rechtfertigt das Alter des Geräts die hohen Reparaturkosten nicht und es muss ein neues Smartphone her. Nicht so bei dem Fairphone 3: Hier ist das Aufschrauben ausdrücklich erlaubt. Nicht umsonst ziert der Spruch „Designed to open“ – „Entworfen, um geöffnet zu werden“ den Rahmen des Telefons. Nur logisch, dass dem Gerät deshalb ein handelsüblicher Schraubenzieher beiliegt. Der Umwelt zuliebe haben die Hersteller dafür auf ein Ladegerät und -kabel verzichtet – davon dürfte ohnehin jeder genügend zu Hause horten. Was ebenfalls fehlt: Da das Smartphone nicht zugeklebt ist, sondern aufgeschraubt werden kann, ist es folglich nicht wasserdicht.

Bildquelle: GIGA / Alexander Kraft I Aufschrauben ausdrücklich erlaub: Dem Fairphone 3 liegt sogar ein kleiner Schraubenschlüssel bei

Der erste Schritt, das Fairphone 3 zu reparieren, führt immer über das Öffnen der semitransparenten Rückseite. Sie lässt sich ganz ohne Gewalt und Garantieverlust öffnen, spezielles Werkzeug wird hier nicht benötigt. Wird mit den Händen etwas Druck auf den Rand des Smartphones ausgeübt, springt der Deckel aus dem Kunststoffrahmen. Akku, Micro-SD und SIM-Karte(n) raus, dann werden die Schrauben des Display-Moduls entfernt. Schon habt ihr direkten Zugriff auf das Innenleben des Fairphone 3. Dank der selbsterklärenden Symbole und Betextungen ist auf Anhieb zu erkennen, welche Module für welche Funktionen verantwortlich sind.

Die Hauptkamera aus- und wieder eingebaut habe ich in nicht einmal zehn Minuten. Die meiste Zeit nimmt dabei das Rausschrauben und Einsetzen der 13 Schrauben in Anspruch. Der Rest ist wirklich ein Kinderspiel. Das Schönste: Von Anfang an habe ich bei der Reparatur des Fairphone 3 ein Gefühl von Sicherheit. Weil alles detailliert beschriftet ist und die Bauteile gut zu erkennen sind, braucht es nur wenige Handgriffe, um das Ziel zu erreichen. Die Sorge, etwas aus Versehen zu beschädigen oder hinterher Schrauben übrig zu haben, ist unnötig. Das Reparieren des Geräts ist ein besonderes haptisches Erlebnis, das andere Smartphones nicht bieten. Man fühlt sich richtig gut dabei, das Smartphone selbst instand zu setzen. Kein Wunder, dass die Techniker von iFixit die Reparierbarkeit des Fairphone 3 mit 10 von 10 möglichen Punkten bewertet haben und es damit den Reparierbarkeits-Index anführt.

Fairphone 3: Technisch mittelmäßig

Insgesamt sieben Ersatz-Komponenten gibt es für das Fairphone 3 zu kaufen. Die Ersatzteile kosten zwischen 20 Euro (Lautsprechermodul) und 90 Euro (5,65 Zoll Display mit Full-HD), sie sind damit wesentlich günstiger als der Kauf eines neuen Smartphones. Nicht ersetzen lassen sich CPU, RAM oder Flashspeicher. Leider ist aktuell nicht möglich, die Module gegen neuere auszuwechseln. Einen Akku mit höherer Kapazität einzubauen oder die 12-MP-Kamera gegen eine mit höherer Auflösung zu tauschen, würde dem Gedanken der Nachhaltigkeit sicherlich entgegenkommen. Stattdessen muss nach wie vor ein neues Smartphone her, ist das aktuelle Modell irgendwann technisch veraltet. Und das kann beim Fairphone 3 schneller gehen als gedacht.

Denn wie eingangs bereits erwähnt, sind die technischen Daten des Fairphones 3 recht unspektakulär: Ein Snapdragon 632 und 4 Gigabyte RAM Arbeitsspeicher sind wahrlich keine Werte zum Angeben. Die Benchmark-Ergebnisse untermauern den Eindruck: 271 Punkte im Single- und 1.227 im Multi-Core-Test erreicht das Fairphone 3 mit Geekbench, bei 3DMark fällt das Urteil mit 511 Punkte versus durchschnittlich 2.532 im ersten Quartal 2020 noch eindeutiger aus. Dafür reichen die 3.000 mAh Akku dank der anspruchslosen Hardware problemlos für einen bis eineinhalb Tage Nutzung.

Bildquelle: GIGA I Das Fairphone 3 kann technisch nur bedingt mit anderen Smartphones mithalten – das fängt bei der 12-MP-Kamera an und hört beim veralteten Betriebssystem auf

Für Alltagsanwendungen wie Browsen, Instagram und YouTube reicht die Performance allemal. Klar, das Scrollen läuft nicht ganz so flüssig wie auf aktuellen High-End-Telefonen und auch manche App braucht länger, bis sie gestartet ist. Aber das fällt nur im direkten Vergleich auf. Wer sein Smartphone nicht als mobile Spielkonsole verwendet, ist mit der Ausstattung des Fairphone 3 zumindest gegenwärtig ausreichend bedient. Mal sehen, wie das in ein, zwei Jahren aussieht, vor allem bei der Software und den Updates. Ausgeliefert wird das Fairphone 3 nämlich mit Android 9. Die von Fairphone modifizierte Version verzichtet immerhin auf unnötige vorinstallierte Apps. Stand jetzt ist nicht klar, ob und wann das Update auf Android 10 folgt. Immerhin plant Fairphone, ihr drittes Smartphone fünf Jahre lang mit wichtigen Updates zu versorgen, wobei angesichts der Hardware vermutlich eher Sicherheits-Patches gemeint sind.

Nichts für die Dunkelheit: Die Kamera des Fairphone 3

Während sich andere Hersteller an der Frage abarbeiten, wie man noch mehr Objektive in einem Smartphone verbauen kann, ohne Design-Sünden zu begehen, widersetzt sich Fairphone auch diesem Trend und verbaut lediglich eine Linse mit 12 Megapixel und f/1.8-Blende. Unter optimalen Lichtverhältnissen sehen die Ergebnisse überraschend vorzeigbar aus: Farben fängt das Fairphone natürlich ein, die Aufnahmen sind scharf und überzeugen mit Details. Probleme bekommt das Fairphone 3, sobald das Licht nicht mehr ausgewogen verteilt ist. Bei Dämmerung oder künstlichen Lichtquellen hat die Kamera mit Rauschen und verwaschenen Details zu kämpfen. Einen Nachtmodus gibt es für diese Fälle leider nicht. Immerhin erlaubt es der Pro-Modus geübten Nutzern, ISO-Wert, Fokus, Weißabgleich und mehr manuell zu justieren. Videos nimmt die Kamera mit einer Auflösung bis 4K bei 30 Bildern pro Sekunde auf. Zeitlupen sind mit 120 fps bei Full-HD möglich. Die Videoqualität entspricht dabei weitgehend dem Niveau der Fotos.

Zu einem ähnlichen Urteil komme ich bei der 8-MP-Frontkamera. Für flotte Porträts, um sie in sozialen Netzwerken zu teilen, ist die Qualität in Ordnung. Doch auch hier gerät die Kamera bei abnehmendem Sonnenlicht schnell an ihre Grenzen: Blasse Farben, Unschärfe und Bildrauschen trüben den Selfie-Spaß.

Vergleich: Dasselbe Bild, einmal aufgenommen mit dem Fairphone 3 und einmal mit dem iPhone XR. Quelle: GIGA / Alexander Kraft
Vergleich: Dasselbe Bild, einmal aufgenommen mit dem Fairphone 3 und einmal mit dem iPhone XR. Quelle: GIGA / Alexander Kraft
Die Qualität der Bilder bei guten Lichtverhältnissen ist gut. Quelle: GIGA / Alexander Kraft
Die Qualität der Bilder bei guten Lichtverhältnissen ist gut. Quelle: GIGA / Alexander Kraft
Quelle: GIGA / Alexander Kraft
Quelle: GIGA / Alexander Kraft
Sobald die Lichtverhältnisse schlechter werden, lässt aber auch die Bildqualität zu wünschen übrig. Quelle: GIGA / Alexander Kraft
Sobald die Lichtverhältnisse schlechter werden, lässt aber auch die Bildqualität zu wünschen übrig. Quelle: GIGA / Alexander Kraft
Quelle: GIGA / Alexander Kraft
Quelle: GIGA / Alexander Kraft

Fairphone 3 im Test: Technische Daten im Überblick

Betriebssystem:Android 9
Größe:158 x 71,8 x 9,89 mm
Gewicht:189 g
Display:5,65 Zoll Full HD+ 18:9
Kamera:12 MP, f/1.8, Dual Pixel PDAF
Front-Kamera:8 MP, f/2.0
Prozessor:Qualcomm Snapdragon 632, 4 GB RAM
Interner Speicher:64 GB, erweiterbar mit einer Micro-SD-Karte
Akku:3.000 mAh
Konnektivität:2.5 & 5 GHz WiFi, Bluetooth 5, NFC, 2 Nano-SIMs, 4G (LTE), USB Typ-C, Fingerabdruckscanner, 3,5 mm Kopfhörerbuchse