Googles Streaming-Dienst Stadia: Können PS5 und Xbox Two jetzt einpacken?

Mit Stadia bietet Google nicht bloß eine weitere Alternative im Bereich des Cloud-Gamings an, sondern könnte unter Umständen eine erstzunehmende Konkurrenz für die kommenden Next-Gen-Konsolen sein. Ist nach all den Jahren das Streaming-Zeitalter in der Videospiel-Branche angebrochen? Ich habe da noch meine Bedenken.
Stadia: Ist die Zeit schon reif für Googles Spiele-Streaming-Dienst?
Cloud-Gaming ist die Zukunft – zumindest wird das überall behauptet. Die Idee klingt auf dem Papier auch überzeugend: Anstatt mir eine neue Konsole oder einen Gaming-Rechner für mehrere Hundert Euro zu kaufen, bezahle ich einfach wie bei Spotify oder Netflix eine monatliche Gebühr und kann anschließend zocken wo und wann ich will – auf dem Fernseher, im Browser vorm PC, am Smartphone, vielleicht sogar bald auf meinem smarten Kühlschrank!
Was ist Google Stadia? Der Ankündigungstrailer stellt Googles neuen Spiele-Streaming-Service kurz und knapp vor:
Je nachdem, wie „schnell“ mein Internet ist, verspricht Google Auflösungen von bis zu 4K bei flüssigen 60 FPS, dazu gibt es HDR und Surround Sound. Doch genau da liegt der Hund begraben: Internet ist in Deutschland ja bekanntermaßen „Neuland“ und das spiegelt sich auch in der Verfügbarkeit von notwendigen Breitbandanschlüssen wider:
Vor allem in Ostdeutschland haben viele Haushalte auch heute noch keinen Zugang zu einem Internetanschluss mit einer Datenrate von 50 Mbit/s oder mehr. Laut Aussage von Digital Foundry soll Google Stadia zwar auch mit einer Verbindungsgeschwindigkeit von 15 Mbit/s zurechtkommen, dann verringert sich aber die Auflösung des ohnehin schon komprimierten Spiele-Streams auf 720p, während die Verzögerung zwischen meiner Eingabe und der Ausführung der Aktion auf dem Bildschirm zunimmt. Für mich in vielen Situationen ein absolutes No-Go, doch dazu später mehr.
Wenn ich nicht nur Zuhause im WLAN, sondern auch mobil über mein Datenvolumen spielen will, stoße ich mit Stadia hierzulande schnell an meine Grenzen. Mitte 2018 lag die 4G-Netzabdeckung in Deutschland bei rund 65,7 Prozent – ideale Bedingungen fürs Game-Streaming sehen anders aus. Ich sehe schon, wie ich mal wieder im ICE sitze, plötzlich mein LTE-Empfang abbricht und ich deswegen nicht weiterspielen kann. Vielleicht ändert sich das, wenn in Deutschland der neue Mobilfunkstandard 5G endlich Fuß fasst – aber bis das passiert, werden wahrscheinlich noch einige Jahre ins Land gehen. Dann greife ich solange doch lieber zur Nintendo Switch, obwohl ich Googles Konzept verdammt spannend finde, oder?
Google Stadia: Einfach sorgenfrei zocken
Denn auch wenn die Internet-Infrastruktur in Deutschland alles andere als ideal ist, hat der Streaming-Dienst gegenüber der normalen Heimkonsole oder dem Gaming-PC einige Vorteile zu bieten, die niemand von der Hand weisen kann:
Ich muss mir zum Beispiel keine Gedanken darüber machen, dass die Lüfter meiner Konsole so laut sind, dass ich kaum noch hören kann, was auf dem Fernseher passiert, sie aufgrund eines Defekts den Geist aufgeben oder irgendwann der interne Speicher zum Bersten gefüllt ist. Kein Download, keine Updates, kein Installieren – binnen weniger Sekunden lande ich im Spiel meiner Wahl. Ladezeiten oder anderen „Leerlauf“ gibt es kaum. Dabei spielt es keine Rolle, ob ich Stadia am Fernseher, am Smartphone oder in meinem Internet-Browser am PC oder Laptop nutze. Solange eure Internetverbindung stabil ist, bleibt eure Spielerfahrung auf allen Geräten gleich – das ist zumindest die Idee.
Doch Google ist nicht das erste Unternehmen mit diesem Einfall. Cloud-Gaming wird bereits seit einigen Jahren von anderen Firmen angeboten. Für einige Leute dürfte unter anderem Shadow oder das inzwischen in Sony aufgegangene Gaikai ein Begriff sein, selbst Nvidia hat Cloud-Gaming schon seit einigen Jahren mit seinem GeForce-Now-Programm auf dem Schirm. Doch erst Google wird Spiele-Streaming mit Stadia wahrscheinlich so richtig salonreif machen.
PS5 und Xbox Two: Deswegen kann Stadia die Heimkonsolen nicht ersetzen
Doch ist Stadia nun ein vollständiger Ersatz für die kommenden Next-Gen-Konsolen? In meinen Augen nicht. Wenn mein Internet-Provider mal wieder Wartungsarbeiten durchführt, stehe ich mit Stadia blöd da. Das ist zwar eine Situation, die nur selten eintreten wird, aber trotzdem schätze ich es, dass ich auf meiner PS4 Pro auch dann noch in Assassin's Creed: Odyssey Kultisten jagen kann, wenn ich gerade kein Internet habe.
Noch ist nicht bekannt, ob die PS5 und die Xbox Two „Always On“-Konsolen sein werden. Aber mal ganz ehrlich: Nach dem riesigen Shitstorm, den Microsoft sich nach der Ankündigung der Xbox One aus genau diesem Grund eingehandelt hat, werden die Next-Gen-Konsolen höchstwahrscheinlich auf einen Online-Zwang verzichten.
Als Fan von schnellen Shootern, Action- und Multiplayer-Spielen mache ich mir bei Stadia vor allem in einem Punkt große Sorgen: der Latenz. Meine Eingaben müssen erst übers Internet zu einem von Googles „Data Centers“ übertragen werden. Dort angekommen werden sie verarbeitet und das dadurch entstehende Videosignal wird nun durch einen Encoder komprimiert, weil meine Internetleitung nur einen Bruchteil der Datenrate eines HDMI- oder DisplayPort-Kabels übertragen kann. Anschließend wird das Datenpaket zurück übers Internet auf den Bildschirm meiner Wahl geschickt, wo es nun angezeigt wird. Das dauert. Wir reden hier zwar nicht von mehreren Sekunden, aber auch Verzögerungen im Bereich zwischen 150-200 Millisekunden können das Spielgefühl in bestimmten Genres stark negativ beeinflussen. Alles fühlt sich auf einmal etwas schwammiger und träger an.
Das mag bei ruhigen Singleplayer-Spielen wie What Remains of Edith Finch oder No Man's Sky kein Problem darstellen, aber Counter-Strike: Global Offensive mit einer Eingabeverzögerung von 166 ms spielen? Danke, nein danke. Aber das scheint sowieso nicht die Zielgruppe zu sein, die Google mit Stadia im Auge hat – auch wenn Bildwiederholungsfrequenzen jenseits der 60 Hz in Aussicht gestellt wurden.
Google Stadia: Noch viele offene Fragezeichen
Noch 2019 soll Google Stadia in Nordamerika und Europa an den Start gehen. Wieviel der neue Streaming-Service kosten soll, das hat Google bislang noch nicht verraten. Ich gehe jedoch davon aus, dass sich das Monatsabo in einem Bereich zwischen 20-30 Euro bewegen dürfte.
Kein Bock auf monatliche Abogebühren? Dann baut euch doch einfach euren eigenen Rechner zusammen:
Auch bei der Auswahl an Spielen, die über Stadia spielbar sein werden, hält sich das Unternehmen aktuell noch bedeckt. Auf der Präsentation wurde bekanntgegeben, dass unter anderem Doom Eternal angeboten werden soll. Zudem bringt Google mit Stadia Games and Entertainment ein eigenes Unternehmen an den Start, welches ausschließlich für die Entwicklung neuer spielbarer Erfahrungen auf Stadia gegründet wurde.
Google Stadia: Gespannt wie ein Flitzebogen
Obwohl es der Text vielleicht nicht vermuten lässt, freue ich mich wirklich auf den Marktstart von Stadia und fiebere dem Release regelrecht entgegen. Das Thema Cloud-Gaming hat mich schon immer gereizt, schien für mich bislang jedoch noch von zu vielen Kinderkrankheiten geplagt zu sein. Das könnte sich mit Stadia jedoch ändern. Google hat nicht nur das notwendige Know-How, sondern auch die entsprechenden technischen Kapazitäten, um ein solch anspruchsvolles Projekt überzeugend umzusetzen.
Trotz allem kann ich mir nicht vorstellen, komplett auf meine Konsolen oder meinen Gaming-PC zu verzichten und in Zukunft nur noch auf Spiele-Streaming zu setzen. Zu oft finde ich mich in Situationen wieder, in denen ich gerade keinen Zugang zum Internet habe, zu sehr liebe ich es, an Grafikeinstellungen herumzuspielen, meinen PC zu übertakten und gegebenenfalls auch aufzurüsten. Aber vielleicht sieht das in ein paar Jahren, wenn die Technik ein Stückchen weiter ist, schon wieder ganz anders aus.
Was sagt ihr zu Googles neuem Streaming-Dienst? Steht ihr dem Online-Service Stadia offen gegenüber? Oder habt ihr Zuhause doch lieber einen richtigen PC oder eine Konsole rumstehen? Schreibt uns eure Meinung gerne in die Kommentare.
Anmerkung: Die in diesem Artikel ausgedrückten Ansichten und Meinungen sind die des Autors und stellen nicht zwingend den Standpunkt der GIGA-Redaktion dar.