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Zwischen Casual und Core: Wer oder was ist eigentlich ein "echter Gamer"? (Kolumne)

Wir alle spielen. Dieser Grundsatz gilt nicht nur für die Leser dieser Seite, sondern für alle Menschen. Nach dem Homo sapiens kam der Homo ludens, der spielende Mensch. Das Spielen von Videospielen ist in der breiten Popkultur angekommen. Kulturwissenschaften befassen sich mit dem im Vergleich noch sehr jungen Medium und auch wenn die breite Masse Games noch nicht als Kunstform akzeptieren will, sind sich Pioniere des Mediums einig: Spiele sind Kunst und werden in der Zukunft eine immer wichtigere Rolle für die Gesellschaft spielen. Doch warum ist der Begiff „Gamer“ trotzdem noch weitestgehend negativ besetzt und was macht einen „echten Gamer“ überhaupt aus?

 
Netzkultur
Facts 

Die Charakterisierung “Gamer“ ist in der breiten Öffentlichkeit hautsächlich negativ besetzt. Doch die Wenigsten von uns sind ungewaschene, sozial vereinsamte, brutale Kellerkinder, auch wenn wir immer noch weitestgehend so dargestellt werden. In der breiten Medien-Landschaft zumeist diffamiert grenzt sich die Gruppe der Gamer gerne vom Rest der Popkultur ab und gefällt sich auf eine perfide Art und Weise scheinbar in der Opferrolle. Viele sehen sich gezwungen, ihr lieb gewonnenes Hobby wie ein in die Ecke getriebenes Tier bis aufs Blut zu verteidigen.

Der Einfachheit halber teilen wir uns auch noch selbst in Kategorien auf und blicken auf andere herab, die vermeintlich weniger Ahnung, Wissen oder Können besitzen als wir selbst. Die allgemein gültige Spieler-Hackordnung, die vor Anbeginn der Zeiten in Stein gemeißelt wurde, lautet dabei in aufsteigender Reihenfolge wie folgt:

Casual Gamer

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Nach weit verbreiteter Meinung innerhalb der höhergestellten Spieler-Ränge stellt der Casual Gamer das Krebsgeschwür der Spielergemeinde dar. Ohne sich für die neusten Entwicklungen in der Spielelandschaft zu interessieren, daddeln Casual Gamer nur ab und zu mit ihrem Smartphone oder Tablett und besitzen keine echte Spieleplattform, sondern höchstens eine Wii. Nur mit Titeln wie Candy Crush Saga oder Angry Birds kann der Casual Gamer etwas anfangen, den PC nutzt er tatsächlich zum Arbeiten und höchstens einige Male zum Spielen von Minesweeper oder Solitaire.

Bei Games sucht er die kurzfristige Unterhaltung ohne Anspruch und langwierige Lernphasen. Die breite Masse der Gelegenheitsspieler sind über 40 Jahre alt und weiblich – “deine Mudda“ also. Natürlich haben sie im Vergleich zu anderen Spielern weniger Skills, im Wettkampf mit anderen Gamern oder gar Core Gamern haben sie ihrem Gegenüber wenig entgegen zu setzen. Anstatt zu wetteifern spielen Casual Gamer lieber nur zum Spaß mit ihren Freunden. Dennoch ist diese Gruppe groß, ihre Kaufkraft bestimmt die Entwicklungen der Videospiel-Branche maßgeblich mit. Genau einzig und allein das ist der Grund, warum wir keine schönen Dinge haben können.

Gamer

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Sicherlich machen die einfachen Gamer ebenfalls einen großen Teil der Spielergemeinde aus. Sie sind Fan einer bestimmten Reihe oder eines bestimmten Genres an Spielen und meist Gewohnheitstiere. Wenn ein neuer Teil ihrer Lieblings-Saga erscheint, greifen sie blind zu. Oder sie schauen sich vorher ein Review an und greifen erst danach zu. Ab und an entdecken sie durch Zufall neue Spiele, die sie interessieren, doch überbordende Fan-Fanatik ist ihnen fremd.

Nach Feierabend setzt sich der gemeine Gamer hier und da gerne für ein oder zwei Stündchen vor den Rechner oder die Konsole, um ein bisschen zu zocken. Spielen ist für ihn Entspannung, kann aber auch zu einem freundschaftlichen Wettbewerb werden. Er beteiligt sich nicht an Shitstorms und empörten Online-Petitionen, sondern genießt das Spiel an sich und so wie es ist. Außerdem gehören alle jene zu dieser Gruppe, denen aufgrund ihres jungen Alters und der damit natürlich einhergehenden Unkenntnis und fehlenden Ernsthaftigkeit der Core-Status verwehrt bleibt.

(Hard-)Core Gamer

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Die Krone der Schöpfung, die kleine Elite und nach eigener Einschätzung die einzig wahren “echten Gamer“ – in dieser Rolle gefallen sich viele Hardcore-Spieler fast schon zu gut. Seit frühster Kindheit haben sie jedes Videospiel gespielt, welches unter der Sonne je existiert. Sie wissen alles und auch alles besser und lassen dies die unwissenden Massen gerne lautstark spüren.

Entweder haben sie sich einer Konsolen-Marke voll und ganz verschrieben und verteidigen ihren Liebling mit aller Macht oder besitzen gleich jede Spieleplattform. Die Core Gamer bestellen Spiele schon gleich nach der offiziellen Ankündigung vor oder stehen bei Mitternachtsverkäufen stundenlang an, um ein Exemplar ihres nächsten Lieblingsspiels zu ergattern. Mit Leidenschaft verfolgen sie das Geschehen in der Branche und lassen sich auch von ohnehin gekauften Spielejournalisten nicht verarschen. Core Gamer spielen alles, was ihnen unterkommt. Niemand kann ihrem Können das Wasser reichen und wer es doch wagt, sie herauszufordern, muss mit einer verheerenden Niederlage rechnen.

Natürlich sind diese drei Darstellungen heillos überspitzt, doch an ihnen ist auch etwas Wahres dran. Durch ein Wetteifern um das meiste Wissen oder die meiste Ahnung über und von Videospielen wird nicht nur das Spiel selbst, sondern sogar das Zeigen oder Beweisen von Interesse daran zu einem Wettbewerb gemacht. Wo bei Ersterem ein gesunder Konkurrenzkampf nötig ist, ist er bei Letzterem völlig Fehl am Platze. Nur, um das eigene Ego aufzublähen, stellen wir uns über andere Mit-Gamer, tun ihre Vorleiben, Abneigungen und Meinungen und auch ihr Spielverhalten als nichtig oder gar falsch ab.

Besser spät als nie?

Auch mein persönlicher Werdegang entspricht wahrlich nicht dem eines alteingesessenen und “typischen“ Spielers. Erst im späten Teenager-Alter habe ich mir von meinem ersten selbst verdienten Geld meine erste stationäre Konsole, eine PlayStation 2, zugelegt. Ich kannte nur Wenige, mit denen ich mein Hobby teilen konnte, die meisten meiner Freunde hatten andere Interessen und konnten mit Videospielen nichts anfangen. Nach und nach musste ich mir die neue Welt der Games eigenständig erschließen, ich informierte mich auf eigene Faust und musste vieles nachholen, was andere schon im frühen Kindesalter erlebten – die Magie virtueller Welten, die mich bis heute begeistert und gefangen hält.

Doch sind meine Erfahrungen, meine Meinung und Ansichten dadurch heute weniger Wert? Bin ich dadurch kein “echter Gamer“?

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So sehen Gamer aus.

Nein, denn auch wenn mein Zugang zum Medium später als bei anderen erfolgt ist, spiele ich seitdem mit Leidenschaft. Auch, wenn ich es wage auszusprechen, dass mich einige Titel und Genres nie begeistern werden, tue ich ihre Bedeutung für die Historie und das Medium an sich keineswegs ab. Ich beschäftige mich intensiv mit der Entwicklung, die die Videospielbranche als Ganzes nimmt und bin alles in allem ein begeisterter Fan. Wo ich kann versuche ich Menschen, die den typischen Gamer-Klischees glauben schenken, das Gegenteil zu beweisen und sie von dem Potential von Spielen als Kunstform zu überzeugen. Ich spiele Games und ich liebe es.

Was ist denn nun ein “echter Gamer“?

Ein Gamer ist außerhalb von allen fadenscheinigen Kategorien schlichtweg jeder, der es sein und sich so nennen möchte. Die einzige Voraussetzung sollte tatsächlich lediglich das Spielen von Videospielen sein, ohne sich rechtfertigen zu müssen.

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Aber so eben auch.

Eine Szene, die sich elitär von innen abschottet, ist dem Ruf und der Außenwirkung des Mediums nicht zuträglich. Ganz im Gegenteil: Wenn wir uns aus fehlgeleiteter Angst vor Verwässerung oder Veränderung verschließen, hat das einen negativen Einfluss auf das Ansehen von allen Videospielern und dem Medium an sich. Jeder von uns hat seinen ganz eigenen Weg zum Spielen gefunden, keiner dieser Zugänge ist weniger Wert als der andere.

Stattdessen sollten wir uns viel offener und aufgeschlossener geben. Denn nur so wächst die Spielergemeinde, neue Einflüsse fördern neue Gedankengänge und neue Ideen. Stillstand ist Rückschritt, also macht euch frei vom elitären Gruppengedanken, steigt aus eurem Elfenbeinturm herab und erfreut euch daran, dass unsere gemeinsame Leidenschaft immer mehr Leute erreicht und die Videospielbranche dadurch weiter wächst. Die Wünsche der Core-Spieler werden dadurch wider Erwarten keineswegs nichtig. Diese Zielgruppe wird durch die Industrie immer bedient werden, ihre Stimmen werden immer gehört werden.

Und wer weiß, vielleicht gefällt es euch auf dem Boden der Tatsachen ja sogar besser?