Mittlerweile sind nahezu alle höherwertigen Smartphones mit Kameras ausgestattet, die nicht nur Fotos in feinster Qualität schießen, sondern auch HD-Videos aufzeichnen können. Doch was die Bearbeitung von Videos angeht, ist das Android-Angebot derzeit noch überschaubar. Ist der Cloud-Video-Editor Clesh die Lösung für mobile Videobearbeitung?

 
Free Video Editor
Facts 

Clesh kommt als allumfassender Assistent in Sachen Videobearbeitung auf Android-Geräten um die Ecke und hat nicht nur Edit-Funktionen im Gepäck, sondern will von der Aufnahme des Rohmaterials bis zur Verbreitung des fertigen Endprodukts die komplette Produktionskette umschließen. In Clesh lassen sich grundsätzlich Bilder und Videos über den direkten Zugang zur Kamera aufzeichnen, anschließend im Editor bearbeiten und das fertige Werk dann entweder lokal speichern, oder direkt auf Facebook oder YouTube veröffentlichen.

Hat man die App installiert, muss man zusätzlich auf der Clesh-Heimseite einen Account registrieren, über den man schließlich Zugang zur eigentlichen Anwendung bekommt. Denn Clesh ist ein Cloud-Service, die wahre Rechenarbeit spielt sich also auf den Servern des Herstellers ab.

Fluch und Segen mit der Cloud

Die Cloud-Anbindung hat aus User-Sicht sowohl Vor-, als auch Nachteile. Erst wenn eine Video/Audio/Bild-Datei dort hochgeladen wurde, kann sie auch in Clesh bearbeitet oder in Projekte eingefügt werden. Praktisch: Sind meine Dateien erst einmal hochgeladen, kann ich sie sowohl von Android-Geräten, als auch über den Desktop-Client von Clesh bearbeiten, die Daten liegen auf dem Server bereit und sind dort von überall aus verfügbar. Um seinen lokalen Speicher zu entlasten, kann man dann auch aufgenommenes Videorohmaterial direkt wieder löschen, für die Bearbeitung spielt das keine Rolle.

Auch ermöglicht die Cloud-Struktur gemeinschaftliches Arbeiten an Projekten: Clesh erlaubt es, andere User in seinen Account einzuladen, die dort dann entweder vollwertig Projekte bearbeiten können, oder aber auch nur mit Upload-Rechten ausgestattet werden können. Der Zugriff auf den Desktop-Client ist ebenfalls ein nicht zu unterschätzender Vorteil, grundsätzlich lassen sich alle Projekte von jedem Rechner aus bearbeiten, der einen Internetbrowser und Java installiert hat.

Aber die Cloud bringt nicht nur Segen: Denn gerade der Upload ist dabei eine Hürde, die erst einmal genommen werden muss. Ist man unterwegs, hat ein Video aufgenommen und möchte es prompt bearbeiten, wird das schnell zur Geduldsprobe: Bei Bildern oder kleinen Audio-Files ist der Upload noch kein Problem, gerade bei HD-Videos können aber bereits Filme mit einer Länge von wenigen Minuten eine stattliche Dateigröße erreichen. Da kann es über mobiles Internet schon ein Weilchen dauern, bis die in der Cloud angekommen sind. So büßt Clesh die Flexibilität, die es durch die Cloud an anderer Stelle gewinnt, hier im Grunde wieder ein. Will man Projekte verzögerungsfrei und sinnvoll bearbeiten, sollte man ein halbwegs schnelles WLAN-Netzwerk zur Verfügung haben, sonst kommt schnell Frust auf. Doch das steht gerade im mobilen Einsatz ja eher selten zur Verfügung.

Videoschnitt per Touchbedienung: Für Wurstfinger eine Herausforderung

Hat man aber eine vernünftige Internetverbindung und alle Teile seines Videoprojekts hochgeladen, steht der tatsächlichen Schnittarbeit nichts mehr im Wege: Clesh kommt in einem spärlichen, funktionellen Design daher, welches sicher keine Schönheitspreise gewinnt.

Neben einem Fenster mit den Upload-, Edit- und Sharing-Funktionen öffnet die Anwendung stets ein Fenster mit der Liste der in der Cloud verfügbaren Elemente, ein Preview-Fenster für aktuell ausgewählte Medien, eine Storyboard/Timeline-Leiste und ein Videofenster für das fertige Projekt. Die Fenster lassen sich nur teilweise schließen, verschieben oder skalieren, worunter die Übersicht schnell leidet. Bei einem 10-Zoll Tablet (getestet wurde auf dem Transformer Prime) ist das kein großes Problem; dass man mit einer Bildschirmdiagonale unter 5 Zoll hier aber noch sinnvoll arbeiten kann, kann ich mir kaum vorstellen.

Die Video, Bild- und Audioelemente lassen sich per Drag&Drop in die Projekt-Timeline ziehen und dort wie gewünscht anordnen. Clips können Frame-genau markiert und in der Timeline dann mit etlichen Übergangseffekten ausgestattet werden. Alle Bearbeitungsschritte erledigt Clesh in Echtzeit. Es stehen eine Videospur und zwei Audiospuren zur Verfügung, was ein wenig mager ist; zumindest eine zweite Videospur hätte es schon sein dürfen. Die Touch-Bedienung funktioniert während der Bearbeitung einigermaßen gut, auch wenn das präzise Auswählen von einzelnen Frames eine hakelige Angelegenheit sein kann. Wer hier nicht ein wenig Fingerspitzengefühl mitbringt, kann schnell verzweifeln. Gerade Elemente punktgenau in der Timeline anzupassen, wird zuweilen zur Frickelarbeit und manch ungeduldiges Gemüt könnte da schnell große Lust bekommen, das Smartphone zum nächsten Fenster rauszuschmeißen. Hier hilft nur: Ruhig durchatmen, mit ein wenig Geschick lässt sich alles an die richtige Stelle bugsieren. Trotzdem wären hier einige alternative Bedienungsmöglichkeiten willkommen gewesen, oder zumindest die Option, die Timeline an seine eigenen Wurstfinger-Bedürfnisse anzuskalieren.

Was außerdem negativ auffällt: Clesh ist recht sparsam mit Hinweisen und oft weiß man als User nicht genau, welche Funktion sich hinter welchem Symbol versteckt. Besonders fällt das bei den Überblendeffekten auf, die man im Grunde durchprobieren muss, um zu wissen, wie sie aussehen. Eine Hilfe oder ein schriftliches Tutorial haben sich die Hersteller von Clesh gespart, lediglich eine Reihe von (englischen) Video-Tutorials findet man auf YouTube. Ein bisschen mehr Support wäre da doch schön gewesen.

Braucht man direkte Hilfe, hat man immerhin die Möglichkeit, im appeigenen Chatraum andere User um Hilfe zu fragen.

Ist die Bearbeitung beendet, kann man sein fertiges Werk im mp4-Format exportieren, Clesh unterstützt dabei auch Full-HD. Die App lässt sich mit Facebook- und YouTube-Accounts verknüpfen, so dass fertige Videos oder Bilder direkt in den entsprechenden Kanälen veröffentlicht werden können, was unkompliziert und gut funktioniert. Das erstellte Video lässt sich aber natürlich auch lediglich auf das lokale Gerät exportieren.

Fazit

Clesh macht eigentlich Vieles richtig und bringt eine Reihe von nützlichen Features mit. Man kann das Potenzial erkennen, das unter dem Cloud-Konzept und der grundlegenden Struktur der Anwendung schlummert.

Leider sitzt der Video-Editor trotzdem ein wenig zwischen den Stühlen: Bei schnellen Video-Arbeiten unterwegs steht einem die ständig geforderte Anbindung an die Cloud in vielen Situationen im Weg. Für vollwertige Editing-Suites im Stil von Adobe Premiere oder Final Cut Pro ist Clesh darüber hinaus natürlich auch kein Ersatz – dafür fehlen in der App schlicht Bearbeitungsfunktionen und Elemente wie zusätzliche Videospuren oder Exportoptionen in verschiedene Formate.

Für die unkomplizierte, schnelle Bearbeitung von Videos, die lediglich mit einigen Schnitten und Übergängen ausgestattet werden müssen und für schnelles Online-Publishing gedacht sind, ist Clesh allerdings durchaus geeignet. Wer für diese Zwecke eine mobile Lösung sucht, über ausreichend Surfgeschwindigkeit verfügt und auch noch ein wenig Fingerspitzengefühl für präzise Touch-Steuerung mitbringt, kann dem Cloud-Editor durchaus eine Chance geben. 3,99 Euro sind dafür ein verkraftbarer Preis, vor allem wenn man bedenkt, was man für professionelle Editing-Software, bzw. deren Lizenzen sonst so locker machen muss. Kleinere Designverbesserungen und künftig schnellere Internetanbindung könnten aus Clesh in Zukunft ein mächtiges Tool zur mobilen Videobearbeitung machen.